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Die schönsten abgelegenen Berghotels im Winter

Peter Hummel, Donnerstag, 13. Dezember 2018

Rummelige Schneesportdestinationen gibt es genügend. Abgelegene Unterkünfte, die zudem einen gewissen Komfort bieten, sind schon rarer. Quer durch die Schweiz haben wir vier Kleinode ausgewählt, die auch im Winter Erholung und Genuss versprechen.

Zuhinterst im Unterengadin, auf 1714 Metern ü. M. gelegen, ist dieses Refugium so abgeschieden wie kaum ein zweites in Graubünden. Gäste reisen mit dem Zug nach Scuol und mit dem Bus weiter über Ramosch nach Vnà, wo sie sich mit dem Geländewagen abholen lassen können. Eindrücklicher legt man das letzte Stück per pedes zurück. Wenn sich nach einer guten Stunde unvermittelt eine Waldlichtung öffnet, ist man wirklich angekommen in dieser Oase der Ruhe. «Ruhe, Stille» wird hier sogar anbefohlen. «Beim Eintritt bitte sofort Bergschuhe ausziehen, Pantoffeln anziehen», heisst es weiter in alter Frakturschrift in der überlieferten Hausordnung, die auch eine gewisse Berechtigung hat: «Kein Getrampel!» ist angesichts der knarrenden Holzböden ein kluges Gebot …

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Das jetzige Gasthaus wurde zwar nach einem Brand erst Ende des vorletzten Jahrhunderts errichtet, doch Zuort ist seit 1482 als Lehenhof im Eigentum der Gemeinde Sent dokumentiert. Jahrhundertelang diente er als Landwirtschaftsbetrieb, Hospiz und Zollstation, denn er lag am alten Handelsweg vom Engadin über den Fimberpass ins Paznaun – eine Route, die heute bei Transalp-Bikern wieder beliebt ist. Seine jüngere Geschichte wurde massgeblich vom niederländischen Dirigenten und Komponisten Willem Mengelberg (1871 – 1951) geprägt. Dieser liess 1911 oberhalb des Gasthauses ein Chalet erbauen, wo er und ein grosser Freundeskreis, darunter Richard Strauss und Hendrik, Prinz der Niederlande, ihre Sommerferien verbrachten. 1920 erwarb er den Hof mit 13 Hektar Land. Aus Dankbarkeit, dass Holland und die Schweiz im Ersten Weltkrieg verschont geblieben waren, liess er darauf eine einzigartige hölzerne Votivkapelle errichten: aussen im Stil einer norwegischen Stabkirche, innen voller alpiner Schnitzereien. Wegen seiner Konzerttätigkeit fürs Naziregime fiel Mengelberg in seiner Heimat zwar in Ungnade; eine Stiftung sorgte nach seinem Tod aber dafür, dass der musikalische Geist im Val Sinestra über ein halbes Jahrhundert weiterleben konnte: mit Ferienaufenthalten und Konzerten von holländischen Musikern. 2010 erwarb Peter R. Berry IV., der jüngste Spross einer St. Moritzer Ärzte-Dynastie, das Anwesen und sorgte für die nötigen Renovationen. Sein Ziel ist es, Zuort in ein sinnvoll verwaltetes, kollektives Eigentum übergehen zu lassen.

Der einmalige Charme von Almhütte, Residenz und Zollhaus in einem ist auch den Swiss Historic Hotels nicht entgangen, welche Hof Zuort 2012 als eines der kleinsten Mitglieder aufnahmen: Das Haupthaus hat vier historische Doppelzimmer und zwei rustikale Vierbettzimmer, die Chasa Mengelberg bietet neben der prächtigen Bibliothek sechs Doppelzimmer mit original Belle-Epoque-Möblierung samt Waschschüsseln, teilweise aber auch eigenem Bad. In der Waschküche des ehemaligen Gesindehauses wurde eine urige Sauna eingebaut, mit Heubetten anstelle von Saunaliegen. Gastgeber sind seit 2016 Doreen Carpanetti und Meinrad Zwerger, dessen Wirken schon aus früheren Jahren in bester Erinnerung ist: Seine leckere Südtiroler und Engadiner «Fusionsküche» ist weit bekannt.

Jedenfalls wunderbar, dass uns das Hausmotto nicht abgehalten hat: «Besuchen Sie uns. Wir haben nichts.» Es müsste nur ergänzt werden «nichts als Zeit». Und die hält in Zuort sogar inne: Gleich drei Uhren im Haus stehen still. Damit der Gast sich auch nicht von digitalen Gadgets hetzen lassen kann, bietet Hof Zuort neuerdings auch eine Auszeit von der digitalen Welt. Der Gast kann – freiwillig – Smartphone & Co abgeben. Die Hausregeln «Ruhe, Stille» erhalten dadurch wieder umso grössere Bedeutung. Die Gäste werden dazu angehalten, nichts zu tun, ruhig zu atmen, zu lauschen und zu schweigen sowie ihre Gedanken aufzuschreiben. Ganz wie einst …

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Arolla – das ist einer der klingendsten Namen für Alpinisten: Etappenort der Haute Route, zweiter Startort für die Patrouille des Glaciers. Arolla lohnt aber auch als Tourenbasis, vor allem dank des Grand Hôtel Kurhaus Arolla. Der Name stammt noch aus einer Zeit, als im Wallis viele «grosse Kästen mit grossen Namen» errichtet wurden; 1896 wurde das Kurhaus als eines der letzten eingeweiht. Noch immer ist im ganzen Hotel der damalige Pioniergeist zu spüren, die bewegte Geschichte erlebbar, die von Peter Weatherill in vierter Generation der gleichen Familie geprägt wird. Seit 2006 ist das Kurhaus Mitglied der Swiss Historic Hotels, weil es «eine sonst selten anzutreffende Gemütlichkeit und Kargheit eines echten Berghotels ausstrahlt». Gut, für einen neuen Gast kann das auch etwas aus der Mode wirken, die letzte grössere Renovation liegt ja auch schon 40 Jahre zurück. Jedenfalls wird man nicht durch «Alpine Chic»-Firlefanz beleidigt, wie sonst oft im Wallis. Und das Beste an den Zimmern ist sowieso die Aussicht auf die nahen Gipfel: Pigne dʼArolla, Mont Collon, Aiguille de la Tza. Der Blick über den baumbestandenen Hotelpark erhellt einem auch den Ortsnamen: Arolle bedeutet Arve. Hier wachsen wirklich lauter Arven (und einige Lärchen) – und das noch höher hinauf als auf der Engstlenalp, bis über 2200 Meter.

In Arolla kommen aber nicht nur Nostalgiker der Alpinhotellerie auf ihre Kosten, sondern auch Liebhaber alter Skilifte: Wer mal nicht die Felle anschnallen will, kann sich auf nicht weniger als fünf Poma-Liften einen Teller unterklemmen. Einige stammen noch aus den 60er-Jahren. Der erste Lift, Les Fontanesses, gehört mit über zwei Kilometern zu den längsten der Schweiz und mit der zweiten Sektion kommt man bis auf fast 3000 Meter – klamm und abgefroren … Für Skilift-Nerds gilt das sesselbahnfreie Arolla als seltener Hotspot.

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Eigentlich liegt die Engstlenalp auf 1839 Metern nahe dem geografischen Mittelpunkt der Schweiz auf der Älggi-Alp. Früher war sie sogar ein wichtiger Stützpunkt im Saumverkehr der Sbrinz-Route. Doch winters gibt es kaum einen abgelegeneren Ort: Mindestens dreieinhalb Stunden dauert der Schneeschuhmarsch ab Haberen im Gadmertal durchs ganze Gental hinauf. Einfacher, wegen des nötigen Skitickets aber auch teurer, geht’s mit Tourenski über Trübsee – Jochpass oder Melchsee-Frutt – Erzegg. Manchmal geht’s aber auch von gar keiner Seite, wenn Lawinengefahr besteht. Winterbuchungen werden deshalb immer unter diesem Vorbehalt angenommen.

Mit dem idyllischen See, dem lichten Arvenbestand bis auf fast 2000 Meter und den vielen Enzianen ist die Engstlenalp für die meisten Besucher im Sommer am reizvollsten. Doch hat sie schon eine lange Wintertradition: «Vor dem Ersten Weltkrieg kamen regelmässig Reserveoffiziere des österreichisch-ungarischen Heeres hierher», weiss Fritz Immer zu berichten. Er führt das Hotel Engstlenalp in vierter Generation und mit seinem Sohn arbeitet die fünfte auch schon mit. Der Hotelier ist sehr bemüht, dass der «Charme des Entlegenen» erhalten bleibt; er sieht sich selbst als «Gärtner der Engstlenalp». Mit der geplanten Verbindung der drei Skigebiete Titlis – Melchsee-Frutt – Hasliberg via Engstlenalp gab es ja eine handfeste Bedrohung. Das «Schneeparadies» ist inzwischen sistiert worden; neben heftiger Opposition aus Naturschutzkreisen ist da «zum Glück» auch noch diese latente Lawinengefahr. Sanft etikettiert als «Erlebnisregion» köchelt das Projekt aber noch immer im Kopf der Obwaldner Regierung. So ruhig wie diesen Winter dürfte es in Zukunft nie mehr sein: Zur Saison 2019/20 ersetzen die Titlisbahnen den alten Sessellift vom Engstlensee zum Jochpass durch eine Sechser-Anlage.

Im Hotel selber ist Fritz Immer auf einen nachhaltigen Ressourcenumgang bedacht: Mit einer eigenen Turbine produziert er Strom, er heizt mit Holz aus dem Tal, die eigene Turbine produziert Strom, Sonnenkollektoren erwärmen das Wasser, die eigene Kläranlage reinigt das Abwasser. Und damit der Gast sich wirklich vom Alltag zurückziehen kann, gibt es in den Zimmern (nostalgisch oder modern) kein Radio und keinen Fernseher und auch kein Telefon und Internet.


Grandiose Aussicht: Vom Hotel Engstlenalp blickt man direkt auf die Sktiourenziele der Umgebung.

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Zwar kann man mit den Chemins de fer du Jura bis nach La Ferrière fahren, dem einzigen Berner Zipfel in den Freibergen. Von hier sind es nur noch zwei Kilometer bis zum Hôtel de la Chaux d’Abel, und Gabriela Haas, die nette Hotelière, holt einen gerne am Bahnhöfchen ab. Doch richtig angekommen ist erst, wer den Weg unter die Ski nimmt. Von der Lage, direkt an der «Magistrale» der Franches Montagnes, sind ja auch vor allem Langläufer angesprochen. Schon gleich zu Beginn ist das Gelände, typisch Jura, kupiert. Wie aus dem Nichts erscheint dann die Auberge auf einer Kuppe auf 1065 Metern. Und wenn einem nach dem Einchecken das Handy «Netzverbindung verloren» meldet, dann ist man endgültig angekommen. Abschalten! Offenbar gibt es eine zunehmende Klientel, die genau deswegen hierher kommt. Wenn schon nicht verkehrstechnisch, so ist man zumindest gefühlt völlig «ab vom Schuss», am einen Ende der Schweiz.

Das Haus hat ebenfalls eine sehr lange Geschichte: Es wurde 1857 als Wohnhaus errichtet und 1910 in ein Kurhaus umgebaut. Nach dem Zweiten Weltkrieg wurde es von Zürcher Industriellen und Reitfreunden übernommen, darunter Schokoladenfabrikant Richard Sprüngli. Gabriela Haas konnte das von den Vorgängern zum Hôtel aufgewertete Bijou 2012 erwerben. So nüchtern sich das Hôtel von aussen präsentiert, so charmant ist es im Inneren eingerichtet. Im Landhausstil ist jedes der 20 Zimmer individuell möbliert und hat einen eigenen, liebevollen Namen wie Les Fleurs, Les Anges oder Les Etoiles. Im Salon gibt’s Piano und Kaminfeuer, und im Speiseraum steht ein gemütlicher Kachelofen. Verdientermassen hat der Schweizer Heimatschutz dieses Kleinod entdeckt und in sein Verzeichnis «Die schönsten Hotels der Schweiz» aufgenommen.

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