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So viel «Fair» steckt im Label der Fair Wear Foundation

Fabian Reichle & Josua Lay, Donnerstag, 26. August 2021

Kleidungsstücke für den Bergsport entstehen innerhalb einer umfangreichen Lieferkette. Dies birgt Potenzial für ausbeuterische Arbeitsbedingungen innerhalb der Textilindustrie. Um dem entgegenzuwirken, können Unternehmen von unabhängigen Organisationen wie der Fair Wear Foundation geprüft werden. Diese garantieren faire Arbeitsnormen. Doch wie fair sind diese Labels wirklich? Die Antwort darauf ist komplex.

Die Textilindustrie bietet Millionen von Arbeitsnehmenden auf der ganzen Welt Beschäftigungs- und Entwicklungsmöglichkeiten. Leider sind die Arbeitsbedingungen längst nicht überall akzeptabel. Ökologische und soziale Missstände werden durch globale Herausforderungen intensiviert – vor allem bei der Gewinnung von Rohstoffen und der Herstellung von Produkten. Aus diesem Grund sollen spezielle Auszeichnungen Klarheit schaffen und Konsument*innen darüber informieren, ob ein Kleidungsstück ethisch und ökologisch vertretbar hergestellt wurde. Eines dieser Labels wird von der Fair Wear Foundation (FWF) vergeben.

Die unabhängige Non-Profit-Organisation und hat sich zum Ziel gesetzt, die sozialen Verhältnisse in der Textilindustrie zu verbessern. Unternehmen und Marken können Mitglied bei der FWF werden, wobei sie sich dazu verpflichten, die acht FWF-Arbeitsnormen in der Lieferkette umzusetzen:

  • Freie Wahl des Arbeitsplatzes
  • Keine Diskriminierung bei der Beschäftigung
  • Keine ausbeutende Kinderarbeit
  • Versammlungsfreiheit und das Recht auf Tarifverhandlungen
  • Zahlung eines existenzsichernden Lohnes
  • Begrenzung der Arbeitszeit
  • Sichere und gesunde Arbeitsbedingungen
  • Rechtsverbindlicher Arbeitsvertrag

Eine Mitgliedschaft seitens Hersteller wie beispielsweise Ortovox, Deuter, Mammut oder Haglöfs bei der Fair Wear Foundation bezeugt zunächst einmal eine seriöse Auseinandersetzung mit den sozialen Herausforderungen in der Textilindustrie. Hersteller werden mit Audits, Schulungen, einer Hotline für Arbeitende und lokalem Fachwissen zu Arbeits- und Menschenrechtsfragen unterstützt. Zudem existiert ein Forum, über welches die Mitgliedsmarken in gemeinsamen Fabriken zusammenarbeiten können, um Verbesserungen zu beschleunigen.

Besonders wichtig: Darüber hinaus unterstützt die FWF Hersteller nicht nur bei der Verbesserung der Arbeitsbedingungen, sondern bietet auch eine externe, unabhängige Verifizierung ihrer Prozesse und Systeme.


Rote Auszeichnungen und tiefgründige Marken-Checks

Die FWF vergibt nach sogenannten Brand Performance Checks einen Status – Leader, Good, Needs Improvement und Suspended. Als Konsument*in erkennt man Produkte von Leader-Herstellern an einem roten Sticker oder Etikett.

Die kritische Frage, die sich beim Anblick dieses Logos aufdrängt: Ist das Kleidungsstück tatsächlich per se Fair und unter besten Bedingungen produziert worden?

 So einfach ist es nun doch nicht, jedoch vorweg - die FWF leistet enorm wichtige Arbeit hin zu einer sozial verantwortlicheren Bergsportbranche. Letztendlich kommt es nicht darauf an, ob ein Produkt mit einem roten Logo ausgezeichnet wurde, sondern was aktuell im Hintergrund geschieht. Das lässt sich am einfachsten an einem Beispiel illustrieren.

Nehmen wir einen Hersteller wie Ortovox, Mammut, Haglöfs, Deuter oder Schöffel, deren Produkte von uns verkauft werden. Diese werden vornehmlich im asiatischen Raum von Drittherstellern produziert. Um diese Hersteller geht es, welche letztlich von Fair Wear geprüft werden.

Die Textilindustrie in Asien ist häufiger von Menschenrechtsverletzungen betroffen als die hiesige. Daher operiert die FWF hauptsächlich in dieser Region. Jährliche Audits mit strengen Kontrollen begutachten die aktuelle Situation. Aus den Ergebnissen der Audits werden Verbesserungsmassnahmen definiert.

Der Audit für die Dritthersteller hat wiederum Einfluss auf den Status des FWF-Mitgliedes. Die Resultate werden auf der Website der FWF publiziert, die detaillierten Brand Performance Checks sind öffentlich und transparent abrufbar – beispielsweise der aktuelle Check von Haglöfs. Arbeiter*innen können bei Beschwerdepunkten die FWF-Helpline nutzen

Wichtig zu wissen: Es existieren Hersteller wie beispielsweise Peak Performance oder Norrona, die auf standardisierte Labels verzichten. Um dennoch eine sozial verantwortliche Lieferkette zu gewährleisten, werden in den beiden Fällen Produzenten verpflichtet, innerhalb eigener Verhaltenskodexe zu agieren. Dies wird regelmässig geprüft und kontrolliert.


Geschärfter Kritiksinn hilft bei Entscheidungen

Der Blick hinter die Kulissen ist wichtig. Man sollte gerade bei Nachhaltigkeits-Labels genau hinschauen und verstehen, dass Kleidungsstücke nicht alle gleich grün sind, nur weil sie eine Auszeichnung tragen.

Das Fazit daraus: Ein rotes Label sagt nicht aus, dass ein Produkt zu 100% fair hergestellt wurde, sondern dass sich der Hersteller intensiv damit befasst, die Situation zu verbessern und sich den Herausforderungen annimmt und nach Lösungen suchen will.

Die wichtige Arbeit zur Einhaltung sozialer Standards ist kein statisches Konstrukt, denn sobald Menschen in Prozessen involviert sind, entsteht viel Bewegung und folglich passieren Fehler. Das Ziel der Kontrollen und der sozialen Labels liegt darin, die kritischen Herausforderungen im Rahmen des Möglichen zu kontrollieren und gegebenenfalls zu eliminieren. Als Appell an Konsument*innen gilt genaues Hinschauen, kritisches Hinterfragen und beim Kauf von Textilien nach bestem Wissen und Gewissen zu entscheiden.

 

Fotos Fabrikation: © Deuter 

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