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Die Ökobilanz eines Kletterseiles, was bedeutet das?

Sebastian Bradford, Mittwoch, 13. Juli 2022

Wenn man den Bergsport mit umweltschädlichen Aktivitäten in Verbindung setzt, denken die Wenigsten an die Produktion von Kletterseilen. Doch Seile haben im Produktsortiment von Bergsportartikelhersteller ebenso einen gewichtigen Anteil an Treibhausgasemissionen. Inwiefern ist dies messbar und welchen Beitrag können Sie hierzu leisten?

Schmelzende Gletscher, weniger Schneefall in vielen Regionen und Steinschlag durch auftauenden Permafrost – der Klimawandel ist im Bergsport für alle Akteure besonders spürbar. Umgekehrt trägt jedoch der naturverbundene Bergsport mit Treibhausgasemissionen, die beispielsweise bei Anreisen oder in der Produktionskette der Herstellung entstehen, auch zum Klimawandel bei.

Die grossen Bemühungen der Hersteller, ihre Auswirkungen auf die Umwelt zu reduzieren, haben sich bisher hauptsächlich auf die Bekleidungsproduktion konzentriert. Eine von Mammut durchgeführte Analyse des CO2-Fussabdruckes ihres Unternehmens ergab, dass Kletterseile einen wesentlichen Teil der Emissionen des Produktsortiments verursachen. Um die Umweltbelastung der Kletterseile besser zu verstehen und Reduktionspotenziale zu erarbeiten, führte Sebastian Bradford im Rahmen seiner Masterarbeit an der ZHAW eine Ökobilanz von Kletterseilen durch. Doch der Reihe nach.


Was ist überhaupt eine Ökobilanz?

Ökobilanzen (engl. Life Cycle Assessment, LCA) sind wichtige Instrumente welche die Umweltauswirkungen von Produkten und Dienstleistungen über den gesamten Lebenszyklus untersucht.  Von der Rohstoffgewinnung bis hin zur letztendlichen Entsorgung. Neben den klimaschädlichen Treibhausgasemissionen werden zudem auch andere relevante potenzielle Schadwirkungen auf Boden, Luft und Wasser analysiert. Die Resultate einer Ökobilanz können zur Produkt- und Nutzungsoptimierung genutzt werden und dienen als Entscheidungsgrundlage seitens Unternehmen um z.B. Produkte aus ökologischer Sicht nachhaltiger zu produzieren.


Die wichtigsten Resultate der Kletterseil-Ökobilanz

Die Wirkungsabschätzung dieser Ökobilanz zeigte, dass das sogenannte Polyamid 6 – ein Grundmaterial zur Seilherstellung - mit über 50% die höchsten Auswirkungen auf das Treibhaugaspotenzial (Beitrag von Co2 zur globalen Erwärmung) und die meisten anderen Umweltindikatoren hat. Der Kunststoff Polyamid 6 zeichnet sich durch seine Reissfestigkeit, Elastizität und hohe Wasserresistenz aus – alles ideale Voraussetzung für ein Kletterseil. Kunststoffe werden jedoch aus Erdöl hergestellt, was nicht-erneuerbare Ressourcen verbraucht und hohe umweltschädliche Emissionen verursacht.


Treibhausgasemissionen in kg CO2-eq. des Kletterseils während seines Lebenszyklus. Caprolactam ist das Vorprodukt zu Polyamid 6.


Nebst der Herstellung des Grundmaterials trägt auch die Entsorgung durch Verbrennung wesentlich zur Klimabilanz eines Kletterseiles bei.


Welchen Beitrag könnt ihr diesbezüglich leisten?

Die meisten Kletterer und Kletterinnen lagern ihr Kletterseil nach einer durchschnittlichen Nutzungsdauer von 5 Jahren zuhause z.B. im Estrich oder nutzen es für Nicht-Kletterzwecke. Gleichzeitig ist die Bereitschaft das Seil resp. das alte Material für Recyclingzwecke zu retournieren sehr hoch. Dies ergab eine Umfrage im Rahmen dieser Masterarbeit, unter 1000 Antworten.

Eine theoretische Hochrechnung der Erkenntnisse der Umfrage und die Zahlen der Ökobilanz ergäbe, dass rund 226 t an alten Seilen zuhause gelagert werden. Würden alle diese Seile wiederverwertet werden – beispielsweise zu Upcyclingzwecken oder Produktion von T-Shirts im Rahmen des Mammut Projektes «Close the Loop» - könnten 1'170 Tonnen CO2 eingespart werden. Dies entspricht 1'170 Economyflügen von Zürich nach New York.


Einsparpotenzial von Treibhausgasemissionen durch das Recycling von alten Seilen in der Schweiz.


Bächli Bergsport arbeitet im eigenen Recyclingprogramm mit lokalen Partner zusammen, die unter Anderem ausgedienten Kletterseile zu praktischen Chalkbags oder aber auch Alltagsgegenständen upcycelt. Hierfür werden ausschliesslich die Seilmäntel (also das farbige Äussere) verwendet. Um den Kreis zu schliessen, werden die Seilkerne in einem nächsten Schritt an Mammut gesendet. Mammut hat mit dem Projekt Close the Loop in Europa eine Wertschöpfungskette aufgebaut. Kletterseile werden gesammelt, chemisch recycelt und zu einem Garn ausgesponnen, welches Mammut für die eigene Produkteherstellung wiederverwenden kann. So entstand in einem ersten Schritt eine T-shirt Kollektion. Bis 2023 wird das Rücknahmesystem von Mammut in weiteren 14 EU-Ländern ausgerollt und das wiederverwertete Material wir in Volumenprodukten eingesetzt, die selber wieder reziklierbar sind.



Mit der Rückgabe eures alten Seiles in einer der Bächli Bergsport Filialen, könnt ihr daher einen grossen Beitrag zum verantwortlichen Konsum und Klimaschutz beitragen, dafür Sorge tragen, dass wir die Berge noch lange in ihrer Schönheit geniessen können.

Für Interessierte: Die Studie wurde von der Wissenschaftlichen Zeitschrift MDPI veröffentlicht.



Über mich:
Sebastian Bradford arbeit an der ZHAW am Institut für Umwelt und Natürliche Ressourcen in der Forschungsgruppe Ökobilanzierung. Als begeisterter Bergsportler hat er im Rahmen seiner Masterarbeit die Umweltbelastung und die Nutzung von Kletterseilen untersucht – und nebenbei bei Bächli Bergsport in Zürich Oerlikon als Bergsportberater sein Studium finanziert.

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