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Cumulu… was? Über Tourenplanung und das Bergwetter

Fiona Stappmanns, Sonntag, 26. Juni 2022

Eine Bergwanderung oder eine Hochtour bringen immer gewisse Risiken mit sich. Eine gewissenhafte Tourenplanung kann diese Risiken zwar nicht komplett eliminieren, aber doch erheblich reduzieren. Die Routenwahl und das Bergwetter gehen hier Hand in Hand.

Ich stehe am Fuss der Wand und schaue empor, versuche mich zu orientieren. Vor zwei Wochen war ich bereits hier, um die geplante Route auszukundschaften, solche «Location Scoutings» gehören zu meinem Beruf als Fotografin dazu. Seit dem letzten Mal hatte es geschneit, kein grosses Problem dachte ich, alles ist wieder abgetaut. Die Wand ist ausserdem relativ einfach zu besteigen, bewegt sich im II. und leichten III. Grad. Als wir einsteigen, merken wir, dass grosse Teile des Felsens vereist sind. Wir klettern vorsichtig weiter, verlieren Zeit. Als wir endlich den Grat erreichen und den schwierigsten Teil der Route überwunden haben, ist unser Zeitplan völlig durcheinandergeraten. Wir geniessen die Aussicht und entschliessen uns dazu, umzukehren. Als Lehre bleibt der eindrucksvolle Beweis, wie Wetterbedingungen die Schwierigkeit einer Tour beeinflussen können. 

In der Tourenplanung, beziehungsweise dem Risiko-Management, fallen die Wetterbedingungen unter die sogenannten objektiven Gefahren. Im Vergleich zu den subjektiven Gefahren wie Absturz, Verirren oder Selbstüberschätzung, können die objektiven Gefahren nicht durch Klettertechnik oder mentale Fähigkeiten eliminiert werden. Sie zu erkennen und richtig einzuschätzen, erfordert viel Erfahrung und Wissen. Denn durch Systematisierung und Training lassen sie sich zumindest minimieren. Und sie gehören zu jeder Tourenplanung dazu.


Auswirkungen des Wetters auf die Tourenplanung

Zur Tourenplanung gehören verschiedene Grundschritte, wie die Routenwahl oder die Ausarbeitung eines Plan B. Dabei muss ich immer die Wechselwirkung aus Gelände, der Komponente Mensch, sowie den aktuellen Verhältnissen berücksichtigen. Im Folgenden will ich mich hierbei auf das Wetter beschränken. Mehr Informationen zur Routenplanung und Risiko Management findet ihr etwa im Buch «Technik und Taktik für leichte Hochtouren» oder auf der Internetseite des SAC.

Wie wirkt sich das Wetter also auf die Tourenplanung aus? Fest steht, viele Bergunfälle sind auf ungünstige Witterungseinflüsse zurückzuführen. Zum einen beeinflusst es die Bedingungen im Gelände. Schnee oder Nässe können Steine rutschig machen und das Absturzrisiko erhöhen. Im Schlimmsten Falle können Stellen so unpassierbar werden oder zumindest mehr Zeit kosten. Solche Stellen sollten bei der Planung der Route identifiziert und berücksichtigt werden. Hier macht es Sinn, vor der Stelle einen Entscheidungspunkt zu veranschlagen respektive sogenannte «Points of no return» zu definieren. Hier geht man also nur weiter, wenn die Bedingungen den Erwartungen entsprechen und dreht sonst gegebenenfalls um. Auch dies gehört zum Bergsteigen und Wandern dazu. Zum anderen führt Kälte zu vorzeitiger körperlicher und geistiger Ermüdung, die Gehzeit verlängert sich und bei schlechten Bedingungen bleibt der rettende Helikopter am Boden. Auch können tiefhängende Wolken und Nebel die Orientierung erschweren und potenzielle Gefahren schwerer erkennbar machen. Gerade am Grat und an exponierten Stellen ist auch die Blitzschlaggefahr bei einem Gewitter nicht zu unterschätzen.


Einen Wetterumbruch erkennen

Wie erkenne ich also mögliche Anzeichen eines Wetterumbruchs oder wie kann ich solche Situationen möglichst vermeiden?

Vor der Tour: wie schon oben kurz erwähnt, müssen unbedingt die aktuellen Bedingungen in der Routenwahl und -planung einbezogen werden. Hierbei geben die entsprechenden Hüttenwarte oder Bergführer der Gegend gerne Auskunft.

Zudem ist es unerlässlich, sich kurz vor der Tour über die Wettervorhersage zu informieren. Hilfreich sind hier einige kostenlose, sowie kostenpflichtige Angebote. Seiten wie Meteo Schweiz, meteoblue oder auch das Bergwetter des Deutschen Alpenvereins, DAV sind zuverlässige Quellen, um sich über die allgemeine Lage zu informieren, letztere liefert sogar Angaben für den gesamten Alpenraum. Natürlich gibt es mittlerweile auch eine Vielzahl an Apps von seriösen Anbietern, ich selber benutze meist die von Meteo Schweiz und meteoblue. Da die verschiedenen Wettervorhersagen oft auf verschiedenen Vorhersagemodellen basieren, ist es auf jeden Fall empfehlenswert, mehrere Dienste zu konsultieren und sich selber ein Bild des Angebots zu machen. Eine individuelle telefonische Beratung ist gerade bei instabileren Grosswetterlagen oder kritischen Situationen sehr zu empfehlen. Rund um die Uhr besetzt ist zum Beispiel die Telefonauskunft von Meteo Schweiz (0900 162 333, CHF 3 /Anruf + CHF 1.50/Minute). Wettervorhersagen werden zunehmend zuverlässiger, vor allem in der kurzen Frist. Hierbei ist die Temperatur am zuverlässigsten, Niederschlag jedoch am ungenauesten vorherzusagen. Dabei stelle ich mir zum Wetterbericht einige grundsätzliche Fragen, etwa nach der Grosswetterlage und deren Stabilität, einer Gewittertendenz, Niederschlagsmenge, Wind, Temperatur und der Höhe der Wolkenbasis (Nebel). Mehr Informationen hierzu findet ihr in den Büchern «Technik und Taktik für leuchte Hochtouren», sowie ausführlicher im SAC Führer «Wetterkunde für Wanderer und Bergsteiger».

Während der Tour: Da man unterwegs jedoch nicht immer Mobilfunkempfang hat, ist die Beobachtung der Wetterentwicklung während der Tour, gerade bei instabilen Wetterlagen, ein Muss. Besonders im Sommer sind Gewitter ein wichtiger Faktor in der Tourenplanung. In den Bergen entstehen sie meist lokal, teilweise innerhalb kürzester Zeit und sind deshalb nicht einfach vorherzusagen. Im Gegensatz zum Flachland ändert das Wetter viel schneller oder es versperrt ein Berg die Sicht auf das Geschehen, die Überraschung ist dann gross.


Achtung Gewitter

Grob gesagt kann man zwischen zwei Arten unterscheiden: Wärme- und Frontengewitter. Wärmegewitter entstehen an schwülen Sommertagen und erste Zeichen sind oft schon am Vormittag in Form von Türmchenwolken zu sehen. Entwickeln sich diese weiter zu Quellwolken, die sich immer weiter auftürmen, kann mit Gewitter gerechnet werden. Eine solche Gewitterzelle oder Cumulonimbuswolke erkennt man an der typischen, oben ausgefransten Ambossform. Bei einem Wärmegewitter verschlechtert sich das Wetter nur vorübergehend, am nächsten Tag ist es meist wieder schön.

Ganz anders bei einem Frontgewitter. Hier bilden sich vor einer einziehenden Kaltfront flächendeckend Gewitter. In den Alpen kommt eine solche Front meist von Westen, weshalb man diese Himmelsrichtung bei entsprechender Vorhersage besonders im Blick behalten sollte. Diese Gewitter kündigen sich oft schon mehrere Stunden im Voraus an, etwa durch aufziehende Zirren oder Altocumuloswolken. Ebenso frischt der Wind meist aus West oder Südwest auf und der Luftdruck sinkt rapide ab. Ich beobachte dies auf meiner GPS Uhr mit barometrischem Höhenmesser. Zu Beginn der Tour sollte der Höhenmesser unbedingt auf die richtige Höhe gestellt werden. Steigt die gemessene Höhe nun schneller als deine tatsächliche, so deutet dies auf einen Luftdruckabfall, also eine Verschlechterung des Wetters hin. Mit einer Karte kannst du deine tatsächliche Höhe während der Tour überprüfen. Eine Kaltfront ist auf keinen Fall zu unterschätzen, da neben der Gefahr eines Gewitters, etwa durch Blitzschlag, eine Wetterverschlechterung mit fallenden Temperaturen, schlechter Sicht und evtl. Schneefall folgt.

Die Beurteilung des Wetters erfordert viel Wissen und Erfahrung. Dieser Artikel soll nur als erster Anstoss gelten und ersetzt nicht die weitere Lektüre. Ich kann jedem nur ans Herz legen, sich eingehend mit diesem Thema zu befassen. Einen sehr ausführlichen Überblick bietet hierfür das mehrfach im Artikel empfohlene Buch des SAC «Wetterkunde für Wanderer und Bergsteiger». Ich für meinen Teil, habe aus meinen Erfahrungen lernen dürfen. Vor einer Tour beobachte ich das Wetter nun über eine längere Zeit und erkundige mich bei Bergführern oder Hüttenwarten nach den aktuellen Bedingungen auf meiner geplanten Route. Auch lege ich mehr Wert aufs Zeitmanagement und kehre im Zweifelsfall lieber früher als zu spät um.

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