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Metall-Oval

Fabian Reichle, Mittwoch, 04. Mai 2022

Ohne sie wäre der Klettersport – ja gar der Alpinismus – undenkbar. Dennoch fristen sie oft ein bescheidenes Dasein. Karabiner sind so selbstverständlich wie unscheinbar. Doch sie sind nicht nur äusserst praktisch, sondern in den meisten Fällen retten sie Leben. Ob HMS-Karabiner oder Expresse: Ohne die banalen, ovalen Geräte würden wir schneller ins Bodenlose fallen, als uns lieb ist. Dabei sind die archaisch anmutenden Werkzeuge viel mehr, als sie auf den ersten Blick zulassen. Wir nehmen die Welt der Karabiner unter die Lupe.

Karabiner finden ihre ersten Erwähnungen bereits im 18. Jahrhundert und schon vorher existierten ähnliche Konstruktionen. Für den Klettersport tüftelte der deutsche Kletterpionier Otto Herzog vor dem ersten Weltkrieg mit dem Einsatz von Karabinern. Im Alpinismus generell war der Siegeszug etwas früher um die Jahrhundertwende. Seither hat sich einiges getan.

Der Aufbau eines Karabiners ist in seinen Grundzügen noch immer gleich. Es gibt eine lange Rückenseite, die derjenigen mit dem Schnapper gegenüberliegt. Letztere ist der Teil mit dem Öffnungs- und Schliessmechanismus. Der Name des Schnappers rührt daher, weil er in den Karabiner «einschnappt». Diesen Teil nennt man Nase. Der Bogen, also das Querteil oberhalb der Nase, ist dafür konzipiert, dass das Seil drüberlaufen kann. Bei einem offenen Karabiner bekommt ein weiterer Ausdruck Relevanz: Die Öffnungsweite. Diese beschreibt den maximalen Abstand zwischen dem Schnapper und der Nase, wenn der Karabiner geöffnet ist. Diese Messgrösse ist daher elementar, damit sich Bergsteiger ein Bild davon machen können, wieviel Material der Karabiner fassen kann und wie einfach er sich letztendlich einhaken lässt. Gerade bei der Bedienung mit Handschuhen kann das durchaus wichtig werden.

Karabiner ist nicht gleich Karabiner

Je nach Einsatz variieren Form und Belastbarkeit von Karabinern. Um einen Wildwuchs zu verhindern, werden sämtliche Modelle nach der DIN EN 12275-Norm sowie dem UIAA-121-Standard überprüft. Eine Übersicht dazu gibt es bei bolting.eu respektive bei UIAA. Prinzipiell und ganz grob wird zwischen Normalkarabinern, also solchen mit regulären Schnappern; HMS-Karabinern, sprich mit Drehverschluss-Sicherung; Klettersteigkarabinern und einigen Weiteren unterschieden. Die Normierung stellt dabei Vorgaben an die Bruchlast. Diese wiederum wird in drei Belastungszustände unterteilt: Längs, quer und offen. Wobei die Limite in diese Reihenfolge abnimmt. Die Unterschiede sind dabei frappant. Während beispielsweise ein HMS-Karabiner in der Längsbelastung 20 Kilonewton aushalten muss, schrumpft die Querbelastung bereits auf 7 und im offenen Zustand gar auf 6 Kilonewton. Ein Kilonewton entspricht übrigens der Gewichtskraft von 100 Kilogramm. Der HMS-Karabiner muss also längs 2 Tonnen abfangen können.

Trotz allem: Höchste Vorsicht ist beim Aufliegen geboten. Also wenn ein Karabiner beispielsweise auf einer Felskante «gebrochen» wird. Ebenso gefährlich kann die Belastung in mehreren Richtungen werden. In vielen dieser Fälle erreicht ein Karabiner nur noch rund einen Drittel der Maximalbelastung. Eine saubere Übersicht bietet hier Petzl. Hinzu kommt, dass ein Karabiner irgendwann Abnutzungserscheinungen aufweist und im schlimmsten Fall zum regelrechten Messer wird, wenn die Metallkante, über die das Seil läuft, abgenutzt und scharf wird. Wer zudem Expressen nutzt, sollte darauf achten, dass nicht die Karabiner, sondern eher das Verbindungsmaterial aus Kevlar, Nylon oder Dyneema Alterserscheinungen mit sich bringt.

Frisch aus dem Ofen

Ganz am Anfang ist ein Karabiner ein Stab aus Aluminium. Und zwar nicht irgendeines, sondern sogenanntes 7075-Aluminium. Diese weist die höchste Festigkeit auf und wird auch beim Flugzeugbau und in der Raumfahrt verwendet.

Dieser Stab wird nun in kleine Teile geschnitten, die wiederum maschinell in die grobe Form des gewünschten Karabiners gebracht werden. Nun kommt der wichtigste Teil: Das Warmschmieden. Damit wird dem Karabiner das eigentliche Erscheinungsbild versehen. Restliche Aluminiumüberschüsse werden entfernt, danach kommt die Hitzbehandlung respektive das Aushärten und das Ablöschen, welches den Geräten die finale Härte und Festigkeit gibt. Dies geschieht nach der sogenannten T6-Norm. Der Prozess stellt sicher, dass eine verbesserte Bruchzähigkeit und Beständigkeit gegen Spannungsriss- und Schichtkorrosion vorhanden ist. Mehr dazu gibt es im Merkblatt des Gesamtverbandes der Aluminiumindustrie.

Als wortwörtlich letzter Schliff werden die Karabiner in einer Art Tumbler durch körnige Beilagen geschmeidig gemacht. Dadurch werden allfällige scharfe Kanten eliminiert. Nach weiteren mechanischen Eingriffen, wie dem Bohren der Löcher für den Schnapper, werden Karabiner in der Regel anodisiert. Sprich, durch ein elektrolytisches Verfahren wird das Metall vor Korrosion, das beispielsweise durch Wettereinflüsse begünstigt wird, geschützt. 

Zu guter Letzt wird der Karabiner zusammengebaut. Der Schnapper wird montiert und Lasergravuren werden angebracht. Letztere beinhalten nebst Logos und dergleichen oft auch wichtige Informationen zu Belastungsgrenzen. Es lohnt sich also, diese genauer anzuschauen.

Bevor der Karabiner in den Handel kommt und an der Felswand eingesetzt werden kann, folgt der teils langwierige Zertifizierungsprozess. Ein Jahr Entwicklung plus Zertifikat, anschliessend sechs Monate Produktion und Shipping brauche es von der ersten Skizze bis zum Kauf, erklärt uns Magnus Raström, der bei Mammut als Senior Product Manager Climbing Gear zuständig ist.


Innovation auf den zweiten Blick

Wie eingangs erwähnt, ist ein Karabiner ein primitives Stück Material. Eigentlich. Warum kommen dann trotzdem immer wieder neue Modelle auf den Markt? Magnus Raström entwickelt Karabiner beim Schweizer Bergsportspezialisten Mammut und kennt die kleinen, feinen Details: «Unsere modernen Karabiner kommen mit weniger Material aus, daher sind sie leichter. Dennoch steigt die Qualität des Materials.» Es sind denn letztlich die kleinen Dinge, die einen Karabiner besser als sein Vorgängermodell machen. Ein optimierter Seillauf am Karabinerbogen, eine überarbeitete Nase, damit der Schnapper effizienter einklickt, feinfühligeres Material für optimiertes Handling oder eine orange Markierung beim Drehverschluss, die signalisiert, dass der Karabiner nicht geschlossen ist, sind alles aktuelle Innovationen aus dem Hause Mammut. 

Solche Entwicklungen ergeben Sinn, denn bei einem Karabiner gibt es keine Kompromisse. Je sicherer er ist, je effizienter er arbeitet und je simpler er zu bedienen ist, desto besser. Daher lohnt es sich auch, seine alten Geräte nach einer Weile auszusortieren, auch wenn sie technisch noch einsetzbar wären. Denn es ist schlichtweg vermessen, an Sicherheitsmaterial zu sparen. Bei Mammut seien Karabiner in der Regel um die fünf Jahre im Sortiment – ein guter Rhythmus, um das eigene Material auf den neuesten Stand der Produktentwicklung zu bringen.

Und auch wenn Karabiner einen rein praktischen Zweck inne haben, so dürfen sie gerne auch mit der restlichen Bergsportausrüstung ästhetisch kombiniert werden. Mammut ist sich dessen bewusst, drum lässt Raström in die internen Kompetenzen blicken: «Wir haben Karabiner im Sortiment, die vom gleichen Designer entworfen wurden, der auch unsere Rucksäcke gestaltet.»

Das komplette Karabinersortiment von Bächli Bergsport gibt es in unserem Onlineshop.

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