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Wandertipp Schweizerischer Nationalpark: Mit der Familie durch unberührte Natur

Judith Johannsen, Mittwoch, 05. Oktober 2022

Der Schweizerische Nationalpark im Süden Graubündens ist etwas ganz Besonderes und Schützenwertes. Warum? Dies zeigen wir euch mit einem ausgezeichneten Wandertipp für Familien und geben euch einen Einblick in eines der wichtigsten Wildnis-Refugien Europas.

Der Schweizerische Nationalpark ist der einzige seiner Art im Land und erfüllt die höchste Stufe für den Naturschutz. Das Wegegebot verbietet ein Verlassen der Wanderwege und im Winter ist der Park für Besucher geschlossen. Diese Einschränkung ist wichtig, denn so können wir die Natur ihrer freien Entwicklung überlassen. Ein Wildtier verbraucht bei jedem Fluchtversuch kostbare Energie – eine Begegnung mit dem Menschen unter harten Schneebedingungen könnte tödlich enden. Totholz darf im Nationalpark liegen bleiben und bietet somit wichtige Lebensräume für vielerlei Lebewesen. Rutschungen, Überflutungen und Steinschläge gelten hier nicht als einzudämmende Naturgefahren sondern werden als natürliche Prozesse, als Teil der Natur, betrachtet und für die Forschung beobachtet. Der Schweizerische Nationalpark ist also deswegen so besonders, weil nur wenige Gebiete in Europa so konsequent sich selbst überlassen sind wie dieses Fleckchen Erde.



Wir Bergsportbegeisterten haben das Privileg, auf ausgewiesenen Wanderwegen diese Natur zu erleben und zu beobachten. Heute haben wir für euch eine Tour in die Val Trupchun ausgewählt. Die rund vierstündige Wanderung eignet sich bestens für die ganze Familie. Uns erwarten nämlich nur knapp 300 Höhenmeter. Jetzt im Herbst ist die Begehung besonders lohnenswert. Die Lärchen färben sich zu dieser Jahreszeit goldgelb und bieten ein tolles Farbspektakel. Und mit etwas Glück könnt ihr sogar den ein oder anderen Hirsch bei der Brunft hören. Die Wanderung in die Val Trupchun ist ausserdem eine gute Alternative bei Regenwetter, da wir im Tal bleiben und nicht den harten Bedingungen in der Höhe ausgesetzt sind. Bevor ihr euch auf den Weg macht, leiht ihr euch am besten einen Feldstecher im Nationalparkzentrum in Zernez, um die Wildtiere aus der Ferne beobachten zu können.

 

Wilde Natur und wilde Tiere

Los geht unsere Wanderung bei Prasüras, gut erreichbar mit dem Zug von Zernez nach S-chanf und weiter mit dem Engadin Bus oder dem Express Parc Naziunal. Wir wandern entlang der Ova da Varusch und erreichen schon bald die Alp Purcher. Links geht ein Pfad ab in die Val Müschauns, wir bleiben jedoch auf dem Weg, der uns tiefer in die Val Trupchun reinführt. In dem anfangs engen, schattigen Tal sind manchmal selbst nach heissen Sommern noch alte Schneebrücken und Überreste von Schneelawinen des letzten Winters sichtbar. Während der Wanderung lohnt sich der Blick durch den Feldstecher auf die gegenüberliegenden Hänge – vielleicht entdecken wir ja einen Hirsch, eine Gams, einen Adler oder gar einen Bartgeier? Mit etwas Glück treffen wir sogar auf einen Parkwächter, erkennbar an der Uniform mit dem Tannenhäher-Logo (oder Cratschla-Logo, wie es auf Romanisch heisst), das Wappentier des Nationalparks. Die Parkwächter halten ein grosses Spektiv bereit, haben vielleicht schon einen Wildtier-Hotspot entdeckt und können uns wertvolle Informationen zur lokalen Tier- und Pflanzenwelt geben. Mit fortschreitendem Weg öffnet sich das Tal immer mehr und ein weitläufiger Blick belohnt uns. Nach etwa 5 Kilometern erreichen wir auf gut begehbaren Wegen die Alp Trupchun. Der Rastplatz bietet uns genügend Platz für ein leckeres, wohlverdientes Picknick aus dem Rucksack. Neben all den in die Ferne gerichteten Blicke durch den Feldstecher sollten wir nicht den Blick aufs Naheliegende vergessen. Das eine oder andere Pfeifen mag uns auf Murmeltiere aufmerksam machen. Schauen wir den linken Hang hoch, entdecken wir eine kleine Meteostation, welche laufend Wetterdaten liefert, die dann vom Nationalpark-Team für die Forschung genutzt werden können. Als kleiner Tipp für alle, die noch ein paar Höhenmeter vertragen können: Man kann nach der Rast den Weg weiter auf die Fuorcla Trupchun (2780 m) folgen, wo der Nationalpark endet und Italien beginnt. Für den Rückweg geht es von der Alp Trupchun über den gleichen Weg zurück, bis wir nach etwa 500 Metern an eine Abzweigung gelangen. Hier zweigen wir links ab, queren die Brücke und steigen einige Meter auf, bis der Weg auf einer stetigen Höhe bleibt. Von hier aus haben wir nochmal einen anderen Blick ins Tal und auf die gegenüberliegenden Hänge. Nach weiteren 5 Kilometern erreichen wir unseren Ausgangspunkt.


 

Wandern und die Forschung unterstützen

Was wir auf unserer Wanderung nicht bemerkt haben: Jede Person auf dieser Route wird von einem System im Rahmen der Besucherzählung des Schweizerischen Nationalparks erfasst. Keine Sorge, wir werden nicht beobachtet. Die Zählung geschieht über eine im Wanderweg eingebaute Matte, die bei jeder Überschreitung eine Erschütterung und somit Wandernde registriert. Wozu dieser Aufwand? Das Nationalpark-Team kann so die Besucherzahlen räumlich analysieren. Dies erlaubt eine gewisse Besucherlenkung. Wenig begangene Routen können beworben, während stark begangene Routen entlastet werden können. Andererseits dienen die Daten als Basis für soziologische Fragestellungen. Beispielsweise konnte die Auswirkung der Covid-19-Pandemie auf die Besucherzahlen analysiert werden. Übrigens: Bei Rückgabe des Feldstechers im Besucherzentrum lohnt sich ein Aufenthalt in den Ausstellungsräumen. Hier erfahrt ihr mehr über die Natur des Parks selber als auch über all die dahinterstehende Arbeit: Über zahlreiche Forschungsprojekte und die alltägliche Arbeit des Teams des Schweizerischen Nationalparks. Geniesst die Natur im Schweizerischen Nationalpark, jedoch solltet ihr schnell dorthin, bevor in wenigen Wochen schon vermehrt Schnee fällt und die Wanderwege für einige Monate geschlossen sein werden.


 

Über die Autorin

Judith Johannsen hat Umweltnaturwissenschaften und Geowissenschaften studiert und ihr Praktikum im Schweizerischen Nationalpark absolviert. Für ein paar Monate hat sie im Bereich Geoinformation bei verschiedenen Projekten mitgeholfen. Sie ist selber ein grosser Bergsport-Fan und hat bereits die meisten Wanderwege im Nationalpark erkundet.


Fotos © Ricco Blass

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