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Ultraleichtes Klettermaterial: Produkte, Tipps und Grenzen

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Fabian Reichle, Dienstag, 14. Mai 2024

Hochtechnische Materialien und ausgeklügelte Produktionsverfahren erlauben immer leichtere Bergsportausrüstung. Auch bei Seilen, Klettergurten und Sicherungsgeräten purzeln die Pfunde. Was das fürs Klettern bedeutet, wo die Vorteile von ultraleichtem Material liegen und wo es an seine Limits kommt, zeigt dieser Beitrag.

Hanfseil, Nagelschuhe und Wollmantel: Das Material der ersten Jahrzehnte des Alpinismus war nicht nur schutztechnisch bedenklich, es war auch enorm schwer. Diese Zeiten sind längst vorbei. In jeder Disziplin des Bergsports gleicht die Ausrüstung einem Helium-Ballon – und das mit symbolischer Luft nach oben. 

Wer weniger Gewicht transportiert, verbraucht weniger Energie. Eine leichte Ausrüstung folgt demnach einem gewissen Grad an Logik und orientiert sich an Bedürfnissen von Bergsportlern. Gerade in der Vertikalen, in der sich die Schwerkraft am meisten bemerkbar macht, ist es durchaus sinnvoll, in leichtes Klettermaterial zu investieren. 

 Nur: Leicht des Leichtseins wegen ist nicht immer vorteilhaft und ab einem gewissen Punkt sogar gefährlich. Oder wie der US-Amerikanische Big-Wall-Pionier Jim Bridwell zu sagen pflegte: “It’s a thin line between boldness and stupidity.” 

Irgendwann sind Limits im Herstellungsprozess erreicht und auch die Handhabung von ultraleichtem Equipment muss nicht per se besser sein. Folgend ein Blick auf die wichtigsten, leichten Ausrüstungsgegenstände fürs Klettern – mit kritischem Blick auf deren Tauglichkeit.

Das Seil 


Eine der grössten Errungenschaften der Kletterei, ja gar des Bergsports im Allgemeinen, war wohl das kernmantelbasierte, synthetische Seil. Gegenüber seinen technischen Vorgängern bietet es nur Vorteile: Es ist robuster, dynamischer und folgerichtig sicherer. Zudem ist es je nach Ausführung wetterfester und eben leichter. 

Gewicht lässt sich bei einem Seil in erster Linie über zwei Faktoren sparen: über die Länge und den Durchmesser. Während ersteres je nach Klettervorhaben wenig Spielraum zulässt, lassen sich bei letzterem oft ordentlich Gramm einsparen. Spannend zu beobachten ist, dass der Trend zu immer dünneren Seilen momentan eher abflacht, da das Handling nicht immer ganz trivial und der Verschleiss relativ hoch ist. 

Kletterseile pendeln sich zwischen 9,2 und 9,8 Millimetern Durchmesser ein. Dieses Spektrum bietet viel Sicherheit bei angenehmer Handhabung. Achtung: Dickere Seile können mit gewissen Sicherungsgeräten ebenfalls schwerfällig werden. Wer mit dünnen Seilen zurechtkommt und über die etwas verminderte Langlebigkeit hinwegsehen kann, wird letztendlich vor allem beim Seiltransport eher leichtfüssig unterwegs sein.

Eine Auswahl an ultraleichten (Einfach-)Seilen: 

  • Beal Opera GD Unicore
    Mit einem Durchmesser von 8,5 Millimetern ein sehr dünnes, dadurch jedoch das leichteste Einfachseil der Welt. Erfüllt auch die Normen als Halb- und Zwillingsseil.
  • Edelrid Swift Eco Dry
    Nachhaltig interessantes Seil, das mit 8,9 Millimetern Durchmesser aufwartet.
  • Mammut Crag Sender Dry
    Verhältnismässig leichtes Gewicht bei 9 Millimeter Durchmesser.

Der Klettergurt 


Nebst den Schuhen ist der Gurt das einzige kletterrelevante Material, das sich an den Körper schmiegt. Wer hierbei Gewicht sparen will, verzichtet vornehmlich auf Komfort. Gerade in langen Routen ist ein angenehmer Sitz jedoch unabdingbar, daher sind beispielsweise Big-Wall-Gurte tendenziell stark gepolstert, während Wettkampf-Modelle meist komplett darauf verzichten.

Die Wahl sollte daher auf den eigenen Klettervorlieben liegen. Ein paar Gramm weniger sind es nicht wert, wenn dafür die Zeit in der Route zur unbequemen Tortur wird. Wichtig: Die Gewichtsunterschiede von Alpin- zu Sportklettergurten sind von Grund auf immens. Die vermeintlich geniale Idee, einen superleichten Alpinklettergurt in sturzdurchsetzten Projekten in der Vertikalen zu nutzen, ist lebensgefährlich.

Im Bereich äusserst leichter Sportklettergurte gibt es beispielsweise:

  • Blue Ice Addax
    Der leichteste Sportklettergurt überhaupt bringt lediglich 129 Gramm auf die Waage.
  • Black Diamond Airnet
    Wurde extra für die Olympischen Spiele entwickelt. Gibt es auch als Damenmodell.
  • Mammut Sender Light Harness
    Ebenfalls eine Errungenschaft für Olympia. Diesmal aus dem Hause Mammut.

So machen es die Profis 

Mit der Erfahrung kommen die Erkenntnisse. Und wer hat mehr davon, als Profi-Alpinisten und -Kletterinnen? Roger Schäli ist mit 56 Begehungen der Eiger Nordwand, erfolgreichen Expeditionen in Patagonien und etlichen Erstbegehungen im vertikalen Gelände zuhause. Sein Sparpotenzial in Sachen Gewicht liegt bei den Karabinern:

«Für viele ist es ein No-Go, keinen Schraubkarabiner an der Selbstsicherung zu haben. Wenn mein Schnappkarabiner jedoch sauber belastet ist und ich entsprechend darauf achte, ist mir diese leichtere Lösung lieber.» – Roger Schäli 

Profialpinist und Bächli-Athlet Roger Schäli © Bächli Bergsport

Seine Expressen ersetzt er mit einem Karabiner und einer 60-cm-Dyneemaschlinge. Diese fädelt er durch den Haken in der Kletterroute und clippt sie wieder in den Karabiner. So entsteht eine superleichte 30-cm-Expresse. 

Ansonsten verzichtet Schäli grösstenteils auf unnötiges Essen und Wasser. Hier sieht er das grösste Potenzial zur Gewichtsersparnis. Eine Halbliterflasche am Klettergurt tut es für ihn – diese kann er je nach Bedarf unterwegs auffüllen.

Ebenfalls eine minimalistische Herangehensweise pflegt Katherine Choong, die nach ihrer Wettkampfkarriere im Sportklettern vermehrt an schwierigen Mehrseillängenrouten anzutreffen ist. Sie ist zudem die erste Schweizerin, die eine 9a kletterte. Ihr Credo:

«Ich versuche, die genaue Anzahl an Expressen für eine Route mitzunehmen und verzichte auf alles andere unnötige Material wie beispielsweise Maillons Rapides.» – Katherine Choong

Wettkampfathletin Katherine Choong © Bächli Bergsport

Auch auf einen Rucksack verzichtet sie. Zumindest während des Kletterns. Sie ziehe diesen immer nach. Beim Material, das während des Aufstiegs unumgänglich ist, achtet sie auf wettkampforientierte Modelle, um Gewicht zu sparen.

Von den Besten lernen und dennoch eigene Entscheidungen fällen. Inwiefern sich Laien von den Profis praktikable Tipps abschauen können, bleibt wohl eine persönliche Ermessenssache.

Die Kletterschuhe 

Einen Kletterschuh ausschliesslich nach seinem Gewicht auszuwählen, wäre ein Fehler. Viele andere Faktoren spielen eine wichtigere Rolle. Passform, Downturn, Symmetrie, Verschlusssystem, Sohlenbeschaffenheit respektive Gummimischung, Hook-Fähigkeit und mehr – all das entscheidet letztendlich eher über den Erfolg der Klettertour als ein paar eingesparte Gramm. 

Dennoch gibt es Kletterschuhe, die überraschend leicht sind. Hierbei sparen Hersteller vor allem an der Sohlendicke. Das macht den Schuh auch sensibler, was vor allem bei filigranen Boulderproblemen praktisch sein kann. Der Verschleiss ist jedoch höher. 

Leichte Kletterschuhe am Markt sind: 

  • La Sportiva Mantra
    Ein Modell für Fortgeschrittene speziell für die Halle. Mit 300 Gramm pro Paar einer der leichtesten Schuhe überhaupt.
  • Tenaya Indalo
    320 Gramm, asymmetrisch, starker Downturn und dennoch überraschend bequem.
  • Red Chili Spirit
    Ein Allrounder, der vom Hallentraining bis zur Mehrseillängenroute überall eingesetzt werden kann.

Das Sicherungsgerät und die Karabiner

Vorneweg: Im Bereich der Sicherungsgeräte eine Empfehlung abzugeben, ist schwierig, weil die verschiedenen Typen nicht nur völlig unterschiedlich funktionieren, sondern dadurch auch entsprechende Gewichtsschwankungen haben. Ein simpler Tuber ist logischerweise leichter als ein komplexes Gerät mit Rücklaufsperre.

Abgesehen davon: Das Grigri von Petzl – das wohl verbreitetste Sicherungsgerät – wiegt gerade einmal 175 Gramm. Mit den Updates seit seiner Markteinführung 1991 hat es rund ein Fünftel an Gewicht verloren und ist um ein Viertel kleiner geworden. Hier hat sich also definitiv etwas getan.

Dasselbe gilt auch für Karabiner. Kaum ein Produkt ist dermassen merkbar leichter geworden. Modernes Aluminium, neue Herstellungsverfahren und raffiniertes Ingenieurwissen bringen einen echten Mehrwert. Die Sicherheit beim Material bleibt hoch – wer also noch ältere Karabiner und Exen zu Hause herumliegen hat und spürbar Gewicht verlieren möchte: Hier lohnt sich eine Investition. Mittlerweile sind fast alle Karabiner auf einem Niveau, das sich der Kategorie Federleicht-Gewichtsklasse zuordnen lässt.

Einige Beispiele: 

  • DMM Shadow Kwiklock Schraubkarabiner mit automatischem Verschlusssystem. 
  • Wild Country Xenon HMS Grosser HMS-Karabiner in Birnenform.
  • Mammut Sender Keylock Express-Set mit zwei Keylock-Karabinern.

Der ganze Rest

Wer nicht Free Solo klettert oder es den Appenzeller Nacktwanderern gleichtun möchte, wird zwangsläufig mit weiterem Material konfrontiert. Auch hier lautet das Credo: Immer leichter. So wiegt beispielsweise der Kletterrucksack Stache UL von Blue Ice gerade einmal 340 Gramm – und das bei einem Volumen von 25 Litern und kaum Verzicht auf bergsporttechnische Annehmlichkeiten wie Pickelhalterung und dergleichen.

Im Bekleidungsbereich tut sich vor allem rund um den Trend des Trailrunnings und Speed Hikings einiges. Die Comp-Serie von La Sportiva steht sinnbildlich dafür. Shorts und Shirt gibt es bei Bächli Bergsport.

Gewicht zu welchem Preis?

Leichter unterwegs zu sein, hat Vorteile. Doch irgendwann ist eine Grenze erreicht. Geht ein Fliegengewicht auf Kosten der Haltbar- und Belastbarkeit, ist das – bei einer Wetterschutzjacke beispielsweise – ärgerlich oder gar gefährlich, wenn es um sicherheitsrelevantes Material geht.

Des Weiteren gibt es Bergsportausrüstung, bei der leichtes Material sogar nachteilig ist. Pickel oder Hämmer sind Beispiele dafür. Diese sind mit einem soliden Grundgewicht effizienter im Einsatz.

Mehr zum Thema Gewicht im Bergsport und wo dessen Sinnhaftigkeit liegt, gibt es im ausführlichen Artikel im Inspiration, dem Magazin von Bächli Bergsport.


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