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Frischer Fisch aus den Bergen

Thorsten Kaletsch, Montag, 01. Oktober 2018

Eglifilet, Zanderknusperli oder Lachsbrötchen: Fisch ist in der Schweiz gefragt. Bisher stammen jedoch nur rund fünf Prozent des Bedarfs aus inländischer Produktion. Entscheidend für die Fischzucht ist die Verfügbarkeit von möglichst sauberem Wasser – und das gibt's in den Bergen.

Vier achteckige Becken auf 1200 Meter Höhe über Meer, darin zappelnde Fische: Die Alpenfischzucht «Lumare» von Curdin Capeder liegt inmitten der idyllischen Bergwelt des Val Lumnezia bei Silgin. Vor zehn Jahren hat der Landwirt mit seiner Frau nach einem weiteren Wirtschaftszweig für den Betrieb Ausschau gehalten. In den Ferien in Österreich kamen sie per Zufall an einer Fischzucht vorbei und dachten: Das ist einen Versuch wert. Capeder rechnete alles durch, die Schweizer Berghilfe leistete entscheidende Starthilfe. Mittlerweile vertreibt der Bündner Bergbauer bis zu fünf Tonnen Saibling pro Jahr und erwirtschaftet damit rund 30 Prozent seines Einkommens.

Capeder ist nicht der Einzige, der in einer Bergregion Fisch züchtet. Mittlerweile gibt es zahlreiche Kleinstbetriebe mit einem oder zwei Kaltwasserbecken. Daneben entstehen aber auch Fischzuchten, die das warme Abwasser der Alpentunnel nutzen: Prominentestes Beispiel ist das Tropenhaus Frutigen, wo sich rund 80'000 Sibirische Störe im 18 Grad warmen Wasser tummeln, aber auch heimische Fische wie Egli, Zander und Äschen gezüchtet werden. Auf der Alpensüdseite züchtet die «Valperca» in Raron ebenfalls mit dem Wasser aus dem Lötschberg Egli und in Erstfeld sollen ab 2020 Zander mit Gotthard-Abwasser aufgezogen werden.

«Schweizer Fisch ist sehr gefragt», erklärt Bergbauer Capeder, «deshalb bestellen bei uns auch Spitzenköche wie etwa Andreas Caminada». Den Fisch vertreibt er direkt an Gastrobetriebe oder verkauft ihn auf dem Markt in Chur. Seit September 2017 kommt der Saibling auch im von Ehefrau Sarah geführten Hofbeizli in Valgronda auf den Teller. Denn schliesslich geht es um den Genuss: «Ob geräuchert, als Mousse oder gegart – Saibling eignet sich für verschiedenste Menüs.»

AUFZUCHT IN VALSERWASSER

Frisches Quellwasser speist die Becken der Fischzucht Lumare. Oder wie es Capeder formuliert: «Bei uns schwimmen die Fische quasi in Valserwasser.» Und die Lage auf 1200 Metern über Meer behagt dem Saibling. Denn steigt die Wassertemperatur über 18 Grad, kann der Kaltwasserfisch krank werden oder gar sterben. Damit das Wasser im Winter nicht gefriert, halten es Pumpen in Bewegung. Capeder versucht, dem Fisch eine möglichst naturnahe Umgebung zu bieten: So sind die Becken etwa mit Erde und Steinen ausgelegt.

Steriler geht es ein paar Täler weiter zu: Seit Dezember 2016 hält die Swiss Alpine Fish AG auch Fische in Lostallo, einem Dorf im Misox zwischen San Bernardino und Bellinzona. Die grösste Fischzuchtanlage der Schweiz will künftig bis zu 600 Tonnen Atlantischen Lachs pro Jahr produzieren. Das Credo: in einem möglichst von der Aussenwelt abgeschotteten System arbeiten und so auf Medikamente wie etwa Antibiotika verzichten. Deshalb stehen die Betontanks mit 32,5 Metern Durchmesser und 4,6 Metern Beckentiefe in einer Halle. «Im Gegensatz zu anderen Fischfarmen arbeiten wir mit einem Biofilter, die Fische schwimmen nicht im eigenen Kot. Und das frische Wasser kommt direkt aus dem Berg», sagt Ronald Herculeijns, Director Sales & Marketing.

DER FRISCHESTE LACHS DER SCHWEIZ

Die Idee für die Fischzucht im Misox stammt von Julian Connor. Der in Zürich wohnhafte englische Topmanager ist ein ausgesprochener Lachsliebhaber. Nachdem er aber eine BBC-Reportage über traditionelles Lachsfarming gesehen hatte, verging ihm gründlich der Appetit. Er beschloss, selbst einen Betrieb aufzubauen. Das Ziel: gesunder, ökologisch vertretbarer und frischer Lachs. «Ein Lachs aus Norwegen braucht mindestens sieben Tage bis in die Verkaufsregale, unserer wird in einem Tag auf dem Teller sein», verspricht der Marketingleiter. Auf einem Toast am Sonntagmorgen, als Tatar zur Vorspeise, als Filet zu Kartoffeln und Spinat: Lachs ist noch immer der beliebteste Speisefisch der Schweiz. «Weil er immer gegen die Strömung schwimmt, ist er sehr muskulös – das ergibt die einzigartige Konsistenz seines Fleisches», erklärt Herculeijns.

Landet er nicht frisch auf dem Teller, wird Fisch traditionellerweise durch Räuchern haltbar gemacht. «Wir haben ein Secondhand-Smokehouse aus Schottland gekauft – und den Räuchermeister mit 30 Jahren Erfahrung gleich mitimportiert», sagt der Marketingchef. Die Fische werden von Hand filetiert, in eine Sole-Marinade eingelegt und dann bis zu 24 Stunden mit Eichenholz geräuchert. So kann seit Februar dieses Jahres jedermann per Onlineshop den frischesten Lachs der Schweiz kaufen.

Das Gefühl von Freiheit

Beat Schlegel (60) ist ein passionierter Fliegenfischer. Seine kunstvollen Köder bastelt er alle selber. Er fotografiert und beschreibt jeden befischbaren See, dazu wandert er unzählige Stunden durch die Berge des Kantons Graubündens – barfuss.

Was macht für Sie die Faszination am Fischen in den Bergen aus?
Beat Schlegel: Die Kombination aus Biken, Laufen, Klettern und Fischen. Bergseen faszinieren ja schon an sich, aber wenn man darin noch fischen kann oder sogar über Nacht bleibt und im Zelt übernachtet, ergibt das ein Gefühl von Freiheit.

Wie und was fischen Sie am liebsten?
Ich fische seit rund 40 Jahren ausschliesslich mit Fliege. Und zwar aus Überzeugung: Fliegenfischen ist ist eine artgerechte und schonende Methode. Einen zu kleinen Fisch kann man ohne Verletzung lösen und wieder zurücksetzen. Man muss ihn dazu nicht einmal anfassen. Ist ein Wurm mit Haken mal im Magen, kann er nicht mehr ohne Schaden entfernt werden. Das Fliegenfischen ist ein Sport und es braucht enorm viel Übung, um die komplexen Bewegungen zu erlernen – dabei hat man auch Zeit, über Sinn und Unsinn des Fischens nachzudenken. Ich habe es nicht auf einen bestimmten Fisch abgesehen, doch im Graubünden fängt man vor allem Salmoniden: Regenbogen- und Bachforellen, europäischen oder kanadischen Saibling. In kleinen Seen im Rheintal gibts auch mal Egli, im Cauma- und Crestasee Graskarpfen oder Hechte und in den grossen Seen im Oberengadin Äschen.

Welchen Fisch mögen Sie am liebsten auf dem Teller?
Ich mag die Äsche sehr gerne: Ihr lateinischer Name ist Thymallus thymallus – wegen dem leichten Gout von Thymian. Die Bachforelle ist etwas bissiger im Fleisch als die Regenbogenforelle, der Saibling wegen seines Fettgehalts etwas traniger. Deshalb nimmt er Gewürze sehr gut auf. Einen frisch gefangenen Fisch mag ich ganz simpel gebraten. Oder warmgeräuchert: Manchmal nehme ich den kleinen Räucherofen gleich mit auf den Berg. Das ist quasi eine grössere, verschliessbare Blechdose mit einem Fach zum Einfeuern und einem Rost für den Fisch – nach 20 Minuten ist er gegart und geräuchert, perfekt zum Verzehr.

Haben Sie einen Lieblings-Angelplatz?
Ich bin sehr gerne an den Jöriseen zwischen Davos und Klosters, wo ich aufgewachsen bin und wohne. Da ist es landschaftlich einfach wunderschön. Die meisten Seen dort sind milchig vom Gletscher, nur einer ist ganz klar. Dort hat über 20 Jahre eine riesige Forelle gewohnt, die man wunderbar beobachten konnte. Meine Fischer-Kollegen und ich hatten es immer wieder auf sie abgesehen – doch erst nach 20 Jahren rief mich ein Freund an, er habe sie erwischt. Das war fast ein wenig traurig.

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