Ein starkes Stück Schweiz: Eiger Extreme Kollektion von Mammut
Günter Kast, Montag, 27. Oktober 2025
Die legendäre Eiger Extreme Kollektion von Mammut wird 30 Jahre alt – und dieses Jubiläum feiern die Schweizer mit der inzwischen sechsten Auflage der Bekleidungslinie für Alpinisten mit hohen Ansprüchen.
Eine Anekdote mit mehr als einem Quäntchen Wahrheit, die in der Outdoor-Branche gerne erzählt wird, geht so: Es gibt Ausrüster, die so viel Geld für Marketing ausgeben, dass am Ende nichts übrig bleibt für echte Innovationen. Andere steckten ihre Mittel tatsächlich in die Forschung und Produktentwicklung, hätten dann aber kein Budget mehr, um darüber zu berichten.
Zeitreise in
Blau-Orange: Mammuts
Eiger Extreme
Kollektionen von
1995 bis 2017.
Den Mammut-Managern entlockt das nur ein müdes Lächeln. Warum nicht beides unter einen Hut bringen? «Genau das ist die DNA des Unternehmens», sagt Kommunikationschef Harald Schreiber, «erstklassige Produkte herstellen, aber auch darüber reden.» Der Ritterschlag in dieser Disziplin findet 1999 statt: die vom Schweizer Fernsehen live übertragene Durchsteigung der Eiger-Nordwand. Die vier Profis Evelyne Binsack, Stephan Siegrist, Hansruedi Gertsch und Ralf Dujmovits tragen dabei Bekleidung der Mammut-Extreme-Kollektion und verhelfen der vier Jahre zuvor lancierten Bergsport-Linie endgültig zum Durchbruch. Mammut kam kaum hinterher, die Nachfrage zu decken. Sie feiert mit einer komplett überarbeiteten, sechsten Neuauflage in diesem Herbst ihren 30. Geburtstag.
Eine weitere Konstante: Der Bergführer und Mammut Pro Team Athlet Stephan Siegrist, von Anfang an dabei, testete auch für die neueste Kollektion die Prototypen auf Herz und Nieren und liess seine Erfahrungen auf extremen Touren in die Entwicklung einfliessen. «Die ersten Muster kamen im Februar 2024. Zwei Monate später trugen wir dann die zweiten Samples, bei denen unsere Wünsche und Verbesserungsvorschläge bereits umgesetzt waren», so Siegrist. Bei einer der Jacken war der Schnitt noch etwas zu eng. Bei einer anderen tat sich Siegrist schwer, den Reissverschluss mit dicken Handschuhen zu bedienen. Kinderkrankheiten, die sich zügig beheben liessen.
Mammut- und Bächli-Athlet
Jonas Schild (rechts) testete die neue
Kollektion gemeinsam mit
Profibergsteiger Stephan
Siegrist am indischen Sechstausender
Shivling (Bilder: Mammut).
Im Herbst 2024 ging es dann auf Expedition in den Garhwal Himalaya in Indien. Mit von der Partie war unter anderem Jonas Schild, ein weiterer Mammut-Athlet. In der Südwand des Shivling (6543 m) testeten sie Hardshells, Daunenjacken und Rucksäcke, Handschuhe und Softshells im scharfen Granit. Schilds ultra-leichte Eiger Free Advanced-Hose musste dabei ordentlich leiden, zumal er sie später noch zehn Tage lang bei Touren in der Eiger-Nordwand im Winter trug. «Danach war sie ganz schön durchgenudelt», erzählt er. «Flicken überall.» Auch diese Erfahrungen flossen in die Entwicklung ein. Die Profis fungierten dabei als Ideengeber, Schnittmustervorbild, Tester und Kritiker in Personalunion.
Stephan Siegrists Lieblingsteil? «Ganz ehrlich: Ich kann mich nicht entscheiden. Aber die Nordwand Pro HS Hooded Jacket hat es mir schon sehr angetan.» Beim Flaggschiff der neuen Eiger Extreme Kollektion verhindert die ausgefeilte Unterarmzwickel-Konstruktion, dass die Jacke bei Überkopf-Bewegungen nach oben rutscht. «Der Schnitt und die elastischen Einsätze machen die Nordwand zum idealen Begleiter, wenn es richtig dynamisch zur Sache geht», so der Mammut-Athlet. Und wie nicht anders zu erwarten, erfüllt sie natürlich den Zweck des Wetterschutzes: Die Kapuze ist helmtauglich und sturmfest, die Haupt-Zipper sind wasserdicht und es ist die robuste Gore-Tex-Pro-Membran verarbeitet.
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Massgeschneidert:
Für die Schnittmuster
der Kollektion werden
die Bewegungsabläufe
in Fels und Eis genau
analysiert (Bilder: Mammut).
Auch der ehemalige Mammut-Athlet Dani Arnold hing schon mehrere Stunden in einem Büro an einer Kletterwand, damit die Entwickler seine Bewegungsabläufe analysieren und daraus die perfekten Schnittmuster ableiten konnten. «Wir sehen es als grosses Glück, mit den weltbesten Profis arbeiten zu dürfen», betont Kommunikationschef Schreiber. «Sie sind für die Entwicklung der Kollektion von unschätzbarem Wert.»
Mammut-Markenbotschafterinnen wie Franziska Schönbächler (ihr Motto: «Es ist ein Privileg, seinen Leidensweg selbst zu wählen.») haben die neue Kollektion ebenfalls in der Praxis erprobt. «Ich war von Anfang an dabei. Durfte miterleben, wie die Produkte durch unser kontinuierliches Feedback immer besser wurden», so die Bernerin, die sich in überhängenden Drytooling-Routen, im Mixed-Gelände oder im reinen Eis am wohlsten fühlt. Für sie muss Kleidung «schlicht, funktional und zuverlässig» sein. Besonders die First- und Midlayer überzeugen sie: «Als Gfrörli schätze ich die leicht gefütterte und windabweisende Jacke In-Flex Air Advanced. Ich trage sie beim Zustieg und beim Klettern unter der Gore-Tex-Jacke.»
Schönbächler gefällt zudem, dass die Kollektion ressourcenschonend produziert wird. Die Schnitte sind so optimiert, dass möglichst wenig Verschnitt entsteht. Und die am stärksten beanspruchten Stellen lassen sich einfach reparieren – entweder dank der Topstitch-Nähte an den Reissverschlüssen oder durch generell robustere Zipper, die die Langlebigkeit der Produkte optimieren. Schönbächlers Fazit: «Die neue Linie richtet sich an Alpinistinnen und Alpinisten, die keinen Schnickschnack brauchen und lieber etwas mehr bezahlen, dafür aber langlebige Kleidung bekommen, auf die sie sich zu hundert Prozent verlassen können.»
Franziska Schönbächler in ihrem Element in Eis und Schnee (Bild: Mammut).
Seit 1974 im Sortiment bei Bächli
Performance, Innovation und Langlebigkeit sind die Hauptanliegen von Mammut. Als Beispiel für diesen Anspruch nennt Produktmanager Alfred Stoppacher den Eiger Nordwand Pro Down IN Hooded Parka, eine extrem warme, strapazierfähige und technische Jacke, ideal für widrigste Bedingungen und Biwaks. «Unser innovatives Daunen-Baffle-Design hebt das Verhältnis von Wärme zu Gewicht gegenüber herkömmlichen Seitenwandkonstruktionen auf ein neues Niveau», führt Stoppacher aus. Die Baffle-Konstruktion mit verdeckten Nähten speichere die Wärme optimal und verhindere gleichzeitig das Eindringen von Wasser und das Verklumpen der Daunenfüllung. «Weil die Jacke als äusserste Schicht konzipiert wurde, besteht sie aus einem stark wasserabweisenden Obermaterial mit vielen technischen und reparierbaren Details», erklärt Stoppacher. Befüllt werden die Kammern der Jacke übrigens mit 900 cuin DRYdown. Die Daunen stammen, wie sämtliche Rohstoffe tierischen Ursprungs bei Mammut, ausschliesslich aus Quellen, die eine artgerechte Haltung nachweisen können.
Mammut steht eben schon seit Langem für verantwortungsbewussten Bergsport und war eine der ersten Outdoor-Firmen, die das Thema Nachhaltigkeit auf der Agenda nach oben schoben. Überhaupt setzt das Management auf Beständigkeit – auch bei den Partnern. Bächli Bergsport hat etwa seit der Firmengründung 1974 Mammut-Produkte im Sortiment. Über die Jahrzehnte ist so eine vertrauensvolle Partnerschaft entstanden. Und auch die Kundschaft weiss es zu schätzen, dass sich dieses zottelige Rüsseltier namens Mammut eben nicht im ewigen Eis zur Ruhe legt, sondern sich und die Produkte immer wieder neu erfindet – und die Welt daran teilhaben lässt.
Tatsächlich sind die Aargauer Meister darin, regelmässig spektakuläre Marketing-Gigs aus dem Rucksack zu ziehen: die roten Schlafsäcke, die sich in eine Schneemulde am Piz Corvatsch schmiegen; die Menschenkette in roter Funktionsunterwäsche am Eiger-Gletscher; die Live-Übertragung aus der Eiger-Nordwand; die mehr als 50 Bergführer, Profi-Alpinisten und Mammut-Mitarbeiter, die nachts den Hörnligrat am Matterhorn hinaufsteigen, um dann zeitgleich ihre rote Stirnlampen mit voller Leuchtstärke einzuschalten, meisterlich festgehalten von Fotograf Röbi Bösch.
Mehr als ein Dutzend solcher Key Visuals hat Mammut seit 2008 produzieren lassen und anschliessend für Medienkampagnen genutzt. Unvergessen auch der Scherz aus dem Jahr 2006 mit der 85-jährigen Engländerin Mary Woodbridge, die angeblich mit ihrem Dackel Daisy für den Mount Everest trainierte. Hunderte von Medien weltweit berichteten darüber – ohne zu wissen, dass der Elefant aus der Eiszeit dahintersteckte. Selbst im Zeitalter der sozialen Medien gilt dieser Coup nach wie vor als Vorbild für virales Marketing. Und beim jüngsten Streich im Frühjahr 2025 liess sich gar CEO Heiko Schäfer samt Anzug, Schreibtisch und Topfpflanze in die Eiger-Nordwand verfrachten, von wo er zu einer Art Schatzsuche aufrief.
Auch die Eiger Extreme Kollektion selbst ist so etwas wie ein Key Visual geworden. Zwar hat Mammut unter dem Motto «Resourceful Performance» eine CO2-Reduktion von 21 Prozent gegenüber der Vorgängerkollektion erreicht; das Gleiche in Grün gibt es bei Mammut eben nicht. Aber erkannt werden wird auch die sechste Eiger Extreme Kollektion an ihrer inzwischen ikonischen, blau-orangen Farbgebung.
Meilensteine
1862: Der Seilmacher Kaspar Tanner eröffnet in Dintikon (AG) seinen Familienbetrieb. Kunden sind primär Bauern.
1969: Mammut entwickelt für die Schweizer Armee das VS-Gerät Barryvox VS 86. Später folgen Schaufeln, Sonden und Lawinen-Airbags.
ab 1981: Mammut wird zum Komplettanbieter und produziert unter anderem Schuhe und Hardware.
1990: Mammut bietet erstmals einen Reparatur-Service an.
1995: Die Eiger Extreme Serie hat Premiere. Mammut-Athleten waren in die Entwicklung eng eingebunden.
2003: Umbenennung in Mammut Sports Group AG. Zuvor waren der norwegische Schlafsack-Hersteller Ajungilak und der Schweizer Bergschuh-Produzent Raichle übernommen worden.
2023: Die erste komplett dekarbonisierte Kollektion wird vorgestellt.
2025: Die Eiger Extreme Kollektion feiert 30. Geburtstag.
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