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Skitourenguru - Eine Ampel für Skitourengänger?

Günter Schmudlach, Mittwoch, 29. November 2017

Dass die Berge mit jährlich ca. 150 Todesopern pro Jahr gefährlich sind, ist allgemein bekannt. Wintersportler werden jedoch mit einer Gefahr konfrontiert, die schwer einzuschätzen ist: Der Lawinengefahr. Die Plattform www.skitourenguru.ch bewertet täglich das Lawinenrisiko auf 905 populären Skitouren der Schweiz. Günter Schmudlach, der Entwickler und Betreiber der Plattform, erklärt im Blog, welches Potential die Digitalisierung für die Lawinenunfallprävention hat.

Am letzten Lawinenkurs war alles noch einfach, der Kursleiter gab uns die Aufgabe den Fanenstock zu planen. Doch welche Gipfelziele könnten dieses Wochenende zum aktuellen Lawinenbulletin passen? Alles ganz einfach, werfen wir doch kurz einen Blick in die 10 Skitourenführer des SAC (ca. 6000 Routen), breiten wir alle Skitourenkarten der Schweiz auf dem Boden aus (32 Karten) oder arbeiten wir uns kurz durch die Routen auf Gipfelbuch, Hikr und Camp2Camp (ca. 20‘000 Routen). Ziemlich aufwändig, vor allem wenn ich nicht nur die Gefahrenstufe, sondern auch die im Lawinenbulletin aufgeführte Kernzone (kritische Expositionen und kritische Höhenstufen) beachten soll.

Von den grossen Städten der Schweiz sind ohne weiteres 200-400 eintägige Skitouren zu erreichen. Was wären bei den gegebenen Lawinenverhältnissen geeignete Kandidaten? Eine Antwort auf diese Frage gibt die Grafischen Reduktionsmethode (GRM). Mit Hilfe der GRM wird die Hangneigung mit der Gefahrenstufe aus dem Lawinenbulletin so kombiniert, dass eine Risiko-Kategorie (grün, orange und rot) resultiert.

Eines Tages, im Dezember 2013 war ich‘s satt, jedes Wochenende vor die selbe Frage gestellt zu werden und dabei den Verdacht nicht loszuwerden, dass meine Auswahl suboptimal bleibt. Als Software-Entwickler war mir schnell klar, dass dies eine Aufgabe für die Maschine und nicht für den Menschen ist. Vier Jahre später ist die Plattform www.skitourenguru.ch aus der Schweizer Tourenszene nicht mehr wegzudenken. Mit ein paar wenigen Clicks gelange ich zu einer Liste von „hochwertigen“ Tourenvorschlägen, die grundsätzlich zur aktuellen Lawinensituation passen. Die eigentliche Tourenplanung nimmt mir die Plattform immer noch nicht ab, aber nun stehe ich bei der Planung nicht mehr mit leeren Händen da, sondern mit einer Liste von vielversprechenden Kandidaten. Diese Kandidaten haben schon mal einen ersten Kompatibilitätscheck mit dem Lawinenbulletin bestanden. Meine Planungsgeduld wird nun nicht mehr an Nieten verschwendet.

Wie funktionierts?
Skitourenguru ist eine offene Plattform: Die Dienstleistung ist gratis, ein Login ist nicht erforderlich. Du wirst noch nicht mal mit Werbung eingedeckt.

Durch einen Click auf Skitouren gelangst du zu einem Haftungsausschluss. Der entsprechende Text ist in verständlicher Sprache abgehalten und klärt dich darüber auf, was dir der Skitourenguru bieten kann und was er dir nicht bieten kann. Sobald du den Haftungssaugschluss akzeptiert hast, gelangst du zu einer Suchanfrage. Mit Hilfe von sechs Filterkriterien (siehe Abb. 1) kannst du festlegen welche Art von Skitouren du suchst. Im Fokus steht neben dem Schwierigkeitsgrad insbesondere die Risiko-Kategorie. Die Risiko-Kategorie kann ähnlich einer Verkehrsampel ein tiefes Risiko (grün), ein erhöhtes Risiko (orange) oder ein hohes Risiko (rot) anzeigen.

Abb. 1: Suchanfrage

Sobald du auf „Suche...“ klickst, werden dir in einer Tabelle alle Routen angezeigt, die den gefragten Kriterien entsprechen (siehe Abb. 2).

Sechs grüne Routen, sechs orange Routen und eine rote Route. Die sechs grünen Routen sind deine Kandidaten für die Tourenplanung. Durch Click auf eine dieser Routen gelangst du zu einer Routen-Detailansicht mit Informationen zur Route, dem Routenverlauf auf der Swisstopo-Karte und dem für die Route gültigen Lawinenbulletin. Einer seriösen Tourenplanung steht nun nichts mehr im Wege.

Einbettung in die 3x3
Grundlage jeder modernen Lawinenkunde ist die 3x3-Regel von Werner Munter. In diesem Schema wird eine Tour in die drei Phasen Planung zu Hause, Beurteilung vor Ort und Einzelhang eingeteilt. In jeder Phasen müssen jeweils die drei Faktoren Verhältnisse, Gelände und Mensch beurteilt werden. Jede Phase hilft uns mit zusätzlichen Informationen zu den Verhältnissen, zum Gelände und zum Faktor „Menschen“.

Jede Phase fordert uns aber auch mit der Infragestellung unserer bisherigen Entscheidung. Die Komplexität steigt mit Fortschreiten der Tour. Während dem die Planung einer Skitour noch einfach gelehrt und gelernt werden kann, stellt die Beurteilung im Einzelhang hohe Anforderungen an den Wintersportler.

Abb. 2: Kandidatenliste

Der Skitourenguru wird in der Tourenauswahl und der Planung eingesetzt, also in der ersten Phase. In den nachfolgenden Phasen (Vor Ort und Einzelhang) bleibt die Bewertung durch den Skitourenguru zwar unser Bezugsrahmen, es ist nun aber erforderlich alle neu hinzugekommenen Informationen in die Gesamtschau einzubetten. Die ständige Risiko-Beurteilung kann nach jedem Schritt durch den Schnee zur Entscheidung führen, umzukehren.

Selbstredend ist während dem Sammeln und Bewerten von Informationen ein hohes Mass an Nüchternheit und Selbstkritik gefordert.

Chancen und Risiken
Der Einwand, solche Tools führen zu einer Banalisierung des alpinen Wintersports sind schnell zur Hand. Machen wir einen Schritt zurück und schauen wir uns den Wandel an, den die Skitourenszene in den letzten Jahrzehnten durchgemacht hat. Während dem vor 20-40 Jahren vor allem SAC-Mitglieder im alpinen Wintergelände unterwegs waren, ist das Publikum heute einerseits 3-4 mal grösser und anderseits äusserst heterogen. Entsprechend vielfältig sind auch die Skills der Wintersportler. Allen gemeinsam ist jedoch die Schwierigkeit einen konkreten Einzelhang einzuschätzen. Auch ausgewiesene Experten gestehen ein, dass sie regelmässig auf Hänge treffen, bei denen sie nur Vermutungen anstellen können.

Wenn eine adäquate Einzelhang-Beurteilung nicht möglich ist, muss eigentlich umgekehrt werden. Es sollte jedoch mindestens gewährleistet sein, dass der fragliche Einzelhang den Test mit der Grafischen Reduktionsmethode (GRM) bestanden hat. Den Test mit der GRM kann man von Hand vollziehen. Der Test liefert keine hundertprozentige Sicherheit, er hat aber den Vorteil, dass er weitgehend immun ist gegenüber unseren Wünschen und Neigungen.

Der Algorithmus von Skitourenguru basiert im Wesentlichen auf der GRM. Eine „grüne“ Skitour hat den Test mit der GRM bestanden. Eine solche Skitour weist in der Regel ein „geringes Risiko“ auf. „Geringes Risiko“ heisst nun keinesfalls „kein Risiko“, aber immerhin ist nach menschlichem Ermessen gewährleistet, dass diese Tour kein „hohes Risiko“ aufweist.

Wer seine Skitouren nach bestem Wissen und Gewissen plant und durchführt, bekommt nun ein einfaches Tool zur Hand, das ihm während der Tourenplanung lästige Rechenarbeit abnimmt. Wer hingegen seine Skitouren in der Vergangenheit nach dem Zufallsprinzip geplant und durchgeführt hat, bekommt nun ein Tool zur Hand, das ihn wenigstens auf Skitouren lenkt, die den GRM-Check bestanden haben. Beide Gruppen fahren besser.

Zudem ist die Plattform www.skitourenguru.ch gespickt mit Links zur Lawinenkunde. Sie hat deshalb ein grosses Potential die Skitourenszene an die Lawinenkunde heranzuführen.

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