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Verdon - Wie im Film

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Marlies Lattner-Czerny, Mittwoch, 24. Dezember 2025

Geier auf Augenhöhe, Lavendelduft in der Nase, feinster Kalk unter den Sohlen, und immer erst mal abseilen: Die Verdonschlucht ist ein Sehnsuchtsort, an dem so mancher Gast einfach für immer bleibt.

Wäre die Gorges du Verdon ein Film, sie hätte längst eine Goldene Palme bekommen – nicht nur in der Kategorie «Beste Regie». Die führt der Fluss Verdon, der in den französischen Seealpen entspringt und sich hier bis zu 700 Meter tief durch die Provence gegraben hat. Erst mit der Wucht schmelzender Gletscher, später mit der Geduld von Jahrtausenden. Ein Grand Canyon französischer Art, nur zwei Stunden von der Küste, von Cannes und seinen Filmfestspielen entfernt. 

Fragt man in diesem Kino einen Hauptdarsteller wie Michael Kemeter, erhält man einen Satz voller Sehnsucht: «Die Verdonschlucht ist ein Spielplatz der Sinne, ein magischer Ort.» Kemeter, ein in mehreren Disziplinen in der Weltspitze kletternder Österreicher, bewegt sich im Verdon mit der Sicherheit eines Stuntdoubles. Er balanciert auf Slacklines, die er quer über die Schlucht spannt, klettert bis in den elften Schwierigkeitsgrad in spiegelglatten Wänden. Manchmal sogar ohne Sicherungsseil – dann trägt er einen Fallschirm am Rücken. Wenn er fällt, dann fliegt er. 

Ein Poster als Lockruf 

Vor fast fünfzehn Jahren hatte Kemeter ein Poster inspiriert, diesen Ort aufzusuchen. Das Poster zeigte einen Kletterer in der Route «Tom et je ris», 8b+, an einer ästhetischen Sintersäule. «Mehr wusste ich nicht über diese Gegend. Ich fuhr einfach hin. Das war einfach nur: Wow!» Auch in der Kategorie «Bester Fels» gäbe es eine Palme. Kletterer auf der ganzen Welt sprechen von «verdonesque», wenn der Kalk rau, bombenfest und strukturiert ist. Genauso, wie man ihn sich erträumt und in der Verdonschlucht findet. Wer lieber vom sicheren Seitenrand in die Schlucht blicken möchte, nimmt die Panoramastrasse Route des Crêtes – an zahlreichen Logenplätzen wird das Naturkino in Hochauflösung präsentiert. Am Belvédère de Trescaire stehen die Chancen gut, Gänsegeier mit bis zu zweieinhalb Metern Spannweite auf Augenhöhe vorbeiziehen zu sehen. Nebenbei seilen sich Kletterer vom Geländer ab. Unten windet sich der Verdon als blaugrüne Lebensader durch die Schlucht. Seine intensiven Farben verdankt er Gesteinspartikeln und Mikroalgen, die das Licht brechen – und das Wasser in Pastelltönen von Türkis bis Jade leuchten lassen. Wandert der Blick auf der gegenüberliegenden Schluchtseite empor, der Rive Gauche, würde man mit einem Teleobjektiv Kemeters besagten Sinter der Sehnsucht erspähen. 

Die Verdonschlucht liess Kemeter nicht mehr los. Er fühlt sich hier genauso zu Hause wie in seinen wilden Gesäuse-Wänden in Österreich. Er hat neue Routen erschlossen, alte saniert – in einem Stil, der den lokalen Ursprüngen treu bleiben soll, «möglichst naturell und nicht überbohrt». Seine Seile lagern in La Palud-sur-Verdon bei seinem guten Freund Bernard Gorgeon, einem der Kletterpioniere. Die Türen stehen immer offen. 

Das gesellschaftliche Leben der Schlucht spielt sich in diesem 350-Seelen-Nest ab. «Das Flair fühlt sich so frei und belassen an», beschreibt Kemeter. La Palud hat kein Luxushotel, aber alles, was zählt – ein Minimarkt für die tägliche Dosis Baguettes, zwei Bars, Campingplätze und diesen unvergleichlichen Charme. «Die Zeit steht hier still. Oldschool, im besten Sinn», schwärmt Kemeter. «Das Einzige, was sich weiterentwickelt hat, sind die Menschen.» 

Eine Liebe, die fordert 

Nicht zuletzt seit die französische Kletterlegende Patrick Edlinger in Filmen wie «Opéra Vertical» durch die Wände schwebte, wurde die Schlucht Anfang der Achtzigerjahre berühmt. Doch man muss nicht im zehnten Grad klettern, um hier in Hochstimmung zu kommen. In der Route «La Demande» findet man einen Schlüssel zur Seele der Schlucht im sechsten Grad. Die Route ist mit 350 Metern die längste und mit gut 50 Jahren die älteste Mehrseillängen-Tour. Wer sich über kraftraubende Risse und Kamine hocharbeitet, während man von Geiern umkreist wird, grübelt über den Sinn des Namens: War «La Demande» als Liebeserklärung und «Antrag» an die Verdonschlucht gemeint? Oder doch als «die Bitte» – an den Partner, noch eine Seillänge vorzusteigen? Was zum Geier macht man, wenn man nicht mehr hinaufkommt? Kopfkino! Wer der Tour gewachsen ist und mit einem Campervan am Strassenrand parkt, ist klar im Vorteil: Vom Ausstieg ist es nur ein Katzensprung zum Feierabend-Baguette. Aber was, wenn Kraft, Können oder das Wetterfenster nicht mehr bis oben hin reichen? Eine Flucht nach unten ist oft unmöglich, weshalb viele das Toprope-Klettern am Schluchtrand bevorzugen. Ist ein Rückzug und Abseilen an den Wandfuss möglich, hat man eine lange Schluchtwanderung gewonnen. Aber die ist immerhin auch sehr schön. Sechs Stunden sollte man einplanen für den berühmtesten Wanderweg, den Sentier Martel. Benannt nach dem Höhlenforscher Édouard-Alfred Martel, der den Flusslauf 1905 erstmals erkundete – im Auftrag, ob er für die Stromerzeugung nutzbar sei. Zuvor, schrieb er, waren diese Abgründe nur den Buchsbaum-Sammlern bekannt: «Sie liessen sich mit Seilen ab, um Wurzeln und Stümpfe für die Herstellung von Boule-Kugeln zu sammeln.» Das traditionelle Wurfspiel wird hier in jedem Dorf gespielt. 

Erholung auf dem Tretboot

Wenn Zehen schmerzen und Finger geschunden sind, bietet der Lac de Sainte-Croix am unteren Ende der Schlucht Erholung. Ein Tretboot gemietet, unter der Galetas-Brücke hinein in die enge Mündung der Schlucht getaucht – plötzlich wachsen die Felswände über einem in den Himmel. Ein genialer Perspektivenwechsel! Zufrieden schaut man hinauf, wo man gestern noch kletterte. Ehe man sich wieder auf den Gegenverkehr konzentrieren sollte, denn das Treiben am Fluss ist bunt. An zwei Tagen pro Woche wird zusätzlich Wasser aus dem oberen Stausee abgelassen – zur Freude der Wildwassersportler am Oberlauf.

Dass für den Bau des Stausees 1974 ein ganzes Dorf geflutet wurde, spürt man nicht mehr auf dieser türkisen Wasseroberfläche. Nur die Kirchturmuhr, die Glocke und der Dorfbrunnen wurden ins neue Les Salles-sur-Verdon mitgenommen, 400 Meter oberhalb des alten Standorts. Manche Bewohner blieben in ihren Häusern, bis das Wasser eindrang – als Zeichen des Widerstands. Mittlerweile leben die Einheimischen dank des wachsenden Tourismus nicht nur mit, sondern auch von dem See.

Keine zehn Autominuten nördlich liegt das Mittelalterdorf Moustiers-Sainte-Marie. Ein Bilderbuchort der Provence, das an steilen Felsen klebt. Ein Gebirgsbach fliesst mittendurch, Zypressen und Olivenbäume zieren schmale Gassen mit Steinhäusern, und an fast jeder Ecke locken lila Souvenirs. Selbst die Ziegenkäse in den Fromagerien des 700-Seelen-Orts sind mit Lavendel veredelt, der auf den nahen Feldern im Juli seine Hochblüte hat. «Un petit peu, madame?» Schon landet ein Stück davon in der Einkaufstasche.

Die Paluarden aus den Ostalpen Auch Michael Kemeter und seine Lebens- und Seilpartnerin Rosalie «Rose» Klaus geniessen das Leben und den Rhythmus in der Verdonschlucht. Rose war noch kein Jahr alt, als sie im VW Käfer mit ihren Eltern aus dem bayerischen Berchtesgaden nach Südfrankreich flitzte. Ein altes Foto zeigt sie mit ihrer Mutter auf der Brücke über dem Stausee. Später stand sie dort wieder – zum Geburtstag, um Mitternacht. «Da wusste ich noch nichts von dem alten Foto», erzählt Rose. «Als ich es sah, war klar: Ich bin gar nicht aus Bayern. Ich bin aus La Palud.»

Im Winter ist es wie ausgestorben, da rücken sie mit der Community eng zusammen. Im Frühling erwacht die Natur, im Sommer herrscht Hauptsaison. Und im Herbst? Da sind nicht nur die Verhältnisse zum Klettern perfekt. Spätestens dann wäre die Verdonschlucht auch für die Palme in der Kategorie «Bestes Szenenbild» nominiert. Wenn die Herbstsonne tief in die Schlucht taucht und das Laub in den Farben des Felsens brennt. «Wir sind Paluarden geworden», sagt Michael Kemeter. Und Rose? Sie lernt Französisch. Tous les jours. Aus Liebe zum Ort – und weil das Leben dort einfach schöner fliesst. Kasten 

Tipps & To Dos

für eine Kletterreise in die Verdonschlucht 

Panoramastrassen

Zwei Höhenstrassen erschliessen die Verdonschlucht, die sich zwischen Castellane und dem Lac de Saint-Croix erstreckt. Am Nordufer leitet die D 952 zum Point Sublime und Belvédère de Mayreste, zwei der schönsten Aussichtspunkte. Ab La Palud-sur-Verdon führt die als Einbahn geregelte Route des Crêtes (D 23) als grosse Runde zu weiteren schwindelerregenden Logenplätzen. Die Panoramastrasse am Südufer ist die D71 nach Aiguines.

Durch die Schlucht

Der Klassiker unter den markierten Wanderwegen ist der 15 Kilometer lange Sentier Martel, er führt am Flusslauf entlang. Er startet beim Schutzhaus La Maline und endet am Parkplatz Point Sublime am Nordufer – am besten geht man ihn mit dem Shuttlebus von La Palud an. Sechs Stunden sollte man gut einplanen und neben Trittsicherheit eine Stirnlampe einpacken – es geht oft schmal am Ufer entlang und durch einen 700 Meter langen Tunnel.

Durch die Wand

In der Verdonschlucht finden sich Klettereien von Weltruhm – bei über 5000 Routen findet jeder etwas. Von leichten Routen wie die sieben Seillängen lange «L’Arête du Bélvèdere» (5b+) bis hin zu einer der härtesten Sportkletterrouten der Welt, der Route «DNA» (9c) von Lokalmatador Sébastien Bouin.

Frag die Locals

Orientierung finden Outdoorlustige in der Ortschaft La Palud: Das Bergführerbüro (Maison des Guides du Verdon, escalade-verdon.fr), in der Rue Grande ist die erste Adresse für Aktivitäten von Canyoning bis Klettern. Auch aktuelle Kletterführer kann man dort kaufen. Mountainbiker finden ein paar Häuser weiter im Geschäft von Bernard Cauvin guten Rat – und natürlich auch Bikes.

Camping im Grünen

Vanlife à la Verdon: Der «Camping municipal» (camping.lapaludsurverdon.com) am Ortsrand von La Palud ist ein guter und simpler Ort, um unter prachtvollen Bäumen wieder Strom zu tanken. Der städtische Campingplatz ist von April bis Oktober geöffnet und selbst zur Hauptsaison günstig (16,30 EUR für Wohnmobil inklusive zwei Personen, Stand 2025). 

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