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Zauber des Südens

Rabea Zühlke, Donnerstag, 10. Juni 2021

Zwischen Palmen, prachtvollen Palazzi und Seepromenade lässt sich in Lugano das Stadtleben in vollen Zügen geniessen. Doch auch für Bergsportler ist die grösste Stadt des Südkantons äusserst reizvoll: Im Hinterland Luganos erhebt sich ein vielfältiges Gebirge, das Wanderern, Trailrunnern genauso wie Kletterern nahezu alles bietet.

Outdoor-Destination Lugano? Wer mit dem Intercity-Zug durch den Ceneri-Basistunnel nach Lugano anreist, vom Bahnhof über die Via Cattedrale ins Stadtzentrum marschiert und an der Piazza Riforma oder an der Uferpromenade des Luganersees seinen ersten Espresso trinkt, lernt vor allem die andere Seite der Stadt kennen – die der gediegenen Restaurants, Fachgeschäfte im Luxusgüterbereich, gepflegten Parks, schicken Villen und der diskreten Schilder, die daran erinnern, dass Lugano einer der wichtigsten Schweizer Finanzplätze ist. Die Kontraste könnten nicht grösser sein: Während unten in Lugano das Leben pulsiert, charakterisieren spärlich besiedelte Täler, verlassene Alpen und schroffe Felswände das nahe Hinterland. «Eingebettet zwischen den Gletschern der Alpen und den drei grossen Seen Lago Maggiore, Lago di Lugano und Lago di Como ist Lugano ein echtes Wander- und Outdoorparadies mit mediterranem Flair», schwärmt Romolo Nottaris von seiner Heimat, die mit über 2000 Sonnenstunden pro Jahr ausserdem zu den sonnigsten Orten der Schweiz zählt. Der Tessiner Bergführer, der sich Ende der 70er-Jahre mit dem Exklusivvertrieb der Scarpa-Bergschuhe auch als Unternehmer einen Namen machte, gehört zu den bekanntesten Schweizer Höhenbergsteigern der ersten Generation. Doch von den Dächern der Welt kehrte Nottaris immer wieder zu seinen Wurzeln zurück – zu den Bergen Luganos, die er bis heute leidenschaftlich liebt.


Rio-de-Janeiro-Flair im Tessin: Der markante Monte San Salvatore in der Bucht Luganos wird auch «Zuckerhut der Schweiz» genannt. Foto: Enrico Boggia.


Auf den Schweizer Zuckerhut

Nur wenige Schritte von der lebhaften Stadt entfernt, erhebt sich einer der beiden Hausberge: der 912 Meter hohe Monte San Salvatore. Schon 1200 pilgerten Gläubige auf den markanten Berg im Süden der Stadt, der als Zuckerhut der Schweiz an sein Pendant in Rio de Janeiro erinnert. Wie auch am Monte Brè, dem zweiten Hausberg im Osten, ist die Höhendifferenz zum Gipfel dank der steil hinauffahrenden Standseilbahn binnen weniger Minuten mühelos überwunden. Oben angekommen eröffnet sich eine fabelhafte Aussicht auf die Tessiner Alpen, den Luganersee bis in die Poebene und die Savoyer und Walliser Alpen. Wer den mediterranen Köstlichkeiten auf der Panoramaterrasse des Restaurants Vetta widerstehen kann, wendet sich den sportlichen Herausforderungen am Berg zu. Zum Beispiel der ausgesetzten Via Ferrata in der Nordwand. Wer es gemütlicher mag, startet direkt am Gipfel zu einer der schönsten Genusswanderungen der Region. Die leichte Wanderung führt durch den malerischen Ort Carona zum Blütenmeer im botanischen Park San Grato. Von hier führt der Wanderweg durch die Kastanienwälder des Monte Arbòstora und über die Alpe Vicania weiter bis nach Morcote – dem einstigen Fischerdorf, das vor einigen Jahren zum schönsten Dorf der Schweiz gekürt wurde.


Postkartenreif: Die «Kathedrale San Lorenzo» und die Standseilbahn Sassellina vor dem Luganersee. Foto: Milo Zanecchia.


Das Gourmetrestaurant auf der Alpe lohnt einen Zwischenstopp: In dem stilvoll ausgebauten ehemaligen Viehstall serviert Gastgeberin Gaby Gianini lokale Köstlichkeiten zusammen mit einem Glas Merlotwein, zum Beispiel vom Gut Castello di Morcote. Merlot habe hier sowieso eine besondere Bedeutung, so Romolo Nottaris, der seiner Passion für feine Weine nachgegangen ist und inzwischen ein kleines Import-Export-Geschäft für exklusive Weine eröffnet hat. «Die Rebsorte Merlot hat im Tessin seine Heimat gefunden. So ist die Qualität seit den 80er-Jahren stets gestiegen und heute findet man über 20 Merlots der Spitzenklasse hier.» 

Vier gewinnt

Duftende Blütenmeere, Tessiner Gourmet-Kost und adrenalinreiche Ferratas: Diese Spezialitäten und Aktivitäten rund um Lugano sollte man sich nicht entgehen lassen. 

  • Blütenmeer
    Dank des fast schon mediterranen Klimas blühen im botanischen Garten Parco San Grato bei Carona u. a. artenreiche Sammlungen von Azaleen, Rhododendren und Koniferen. Sechs Themenwege führen durch den knapp sechs Hektar grossen Park, der besonders im April und Mai mit der duftenden Flora die Sinne betört.
  • Gaumenschmaus
    Vom Tessiner Frischkäse Zincarlin aus dem Valle di Muggio über das aus gerösteten Maiskörnern gewonnene Mehl Farina Bona aus dem Onsernonetal bis hin zur feinen Ziegenwurst Cicitt aus dem Maggiatal – auf dem wöchentlichen Markt in Luganos Altstadt bieten kleine Bauernbetriebe ihre selbst gemachten Tessiner Köstlichkeiten an.
  • Nordwand-Klettersteig
    Mit einer Länge von 250 Metern und 150 Metern Höhenunterschied zieht sich die Via Ferrata durch die teils steile Nordwand des San Salvatore. Für den Klettersteig der Schwierigkeit «D» muss man zwar kein erfahrener Alpinist sein, dennoch erfordert die Nordwand-Ferrata Kraft und Ausdauer.
  • Gastrokultur
    Die Grotti gehören zur Tessiner Gastrokultur. Über einen der namensgebenden Felsenkeller (Grotto) verfügen heute nur noch wenige Gastbetriebe. Den meisten gemein ist das Rustikale, ein Aussenbereich mit Granittischen und -bänken und die einfache Speise- und Weinkarte mit lokalen Spezialitäten – so wie das Grotto Arla da Covin im Val Colla.

Steile Zähne, ruhige Täler

Schroffe Felswände, einsame Täler und Hütten-Flair: Auf der anderen Uferseite lassen unzählige alpine Touren im Val Colla die Herzen höher schlagen. Ein Klassiker ist das Lugano-Trekking: Über drei Etappen verläuft die Tour vom Monte Brè (925 m) über die Capanna Pairolo zur Pilgerkapelle am Passo San Lucio und weiter zur Capanna Monte Bar bis nach Tesserete. «Ein Klassiker, den ich gerne mit meinen Freunden ab Cioascio wandere und der mich jedes Mal mit unvergleichlicher Aussicht auf den Luganersee und auf die Alpenkette sowie auf die Poebene belohnt», erzählt Romolo Nottaris. Konditionsstarke und motivierte Trailrunner laufen eine ausgedehnte Variante mit über 50 Kilometern und 3650 Metern Höhenunterschied bei der Trail-Variante des «Senic-Trails» sogar an einem Tag. Mit insgesamt sechs unterschiedlichen Laufstrecken gehört die Laufveranstaltung zu den schönsten Trailrun-Wettkämpfen der Schweiz.


«Die Zähne der Alten»: Die Bergkette Denti della Vecchia gehört zu den historisch wichtigsten Tessiner Klettergebieten. Foto: Ticino Turismo / Luca Crivelli.


Vom kleinen Künstlerdorf Brè führt die Trekkingtour dem schweizerisch-italienischen Grenzkamm folgend direkt an den Denti della Vecchia, den «Zähnen der Alten», vorbei. Die imposanten, schroffen Kalktürme aus kompaktem Dolomitgestein sind kletterhistorisch das erste und bedeutendste Tessiner Klettergebiet. Sie liegen nur wenige Gehminuten von der Schutzhütte Capanna Pairolo entfernt, die 1937 als Stützpunkt für Kletterer errichtet wurde. Schon in den 30er-Jahren eröffneten hier Kletterlegenden wie Emilio Comici die ersten Routen. Heute umfasst das Gebiet über 300 Sportkletterrouten – von 3b bis 8a. Auch Nottaris, der am Fusse des Felsriegels auf der Alpe Cioascio ein wunderschönes Haus besitzt, ist mit den Denti della Vecchia tief verbunden: Mit gerade mal zwei Jahren stand er das erste Mal auf dem Grat der Bergkette, einige Jahre später erlernte er an den steilen Felswänden das Klettern.


Kubus aus Holz und Glas: Hoch über dem Val Colla schenkt die Capanna Monte Bar Ausblicke über Lugano. Foto: Davide Adamoli.


Kubus aus Glas und Holz

So ursprünglich und ruhig weite Teile des Val Collas mit seinen am Hang klebenden Weilern, den weiten Kastanienwäldern und den lieblichen Alpen abseits der Touristenströme auch sind, so laut und lebhaft ist der Betrieb rund um die Capanna Monte Bar. Direkt unterhalb des gleichnamigen Berges steht sie in aussichtsreicher Lage auf 1602 Metern Höhe. Dabei wurde die neue Capanna Monte Bar 2016 auf dem Fundament der ursprünglichen Hütte von den zwei jungen Tessiner Architekten Carlo Romano und Oliviero Piffaretti in Form eines riesigen Würfels aus Holz und Beton erbaut. Die einstige Hütte diente Ende der 30er-Jahren vor allem als Stützpunkt für gut betuchte Luganesi, die an den tief verschneiten Hängen des Monte Bars zum Skifahren hochkamen. Heute ist sie im Sommer und im Winter ein beliebtes Ziel für Wanderer, Mountainbiker und Familien. Damit zeigt das Finanzzentrum des Südens eindeutig: Von Genusstouren über Mehrtagestouren bis zu anspruchsvollen Trails und sagenumwobenen Felswänden lässt sich im Hinterland Luganos alles finden. Und das natürlich, ohne die kulinarische Seite zu vergessen: Denn was gibt es Schöneres, als nach einer langen Bergtour in einem Grotto oder an der Seepromenade ein traditionelles Gericht und ein gutes Glas Wein zu geniessen? Nicht viel vermutlich.

Lugano: 3 für jeden Geschmack

  1. Für Durchquerer: Lugano-Trekking
    Die dreitägige Wanderung hoch über Lugano ist eine der vielfältigsten Touren der Region: Der schweizerisch-italienischen Grenze folgend, führt sie vom Monte Brè durch das abwechslungsreiche Val Colla und schliesslich über den Monte Bar bis nach Tesserete.
  2. Für Geniesser: Alpe Vicania
    Vom Zuckerhut der Schweiz folgt man dem Wanderweg durch die duftenden Blütenmeere des Parco San Grato bis in das einstige Fischerdorf Morcote, das 2016 zum schönsten Dorf der Schweiz gekürt wurde. Tipp: Unbedingt die lokalen Köstlichkeiten auf der Alpe Vicania probieren.
  3. Für Kletterer: Denti Della Vecchia
    Die Denti della Vecchia gehören zu den historisch wichtigsten Klettergebieten im Tessin. Schon Berühmtheiten wie Riccardo Cassin oder Emilio Comici kletterten an dem kompakten Dolomitgestein. Inzwischen gibt es hier über 300 Sportkletterrouten von 3b bis 8a.

Logieren

Das Cà San Matteo ist ein elegantes Bed & Breakfast in Capriasca, nur wenige Minuten vom Dorfkern Tesseretes entfernt oder die Villa Carona ist ein familiengeführtes Hotel, das ausserdem Übernachtungen im Baumzelt inmitten des Parco San Grato anbietet.


Essen

Das ganze Tessin ist bekannt für seine hervorragende Gastronomie – von einfacher bis zu raffinierter Küche lässt sich in und rund um Lugano alles finden. Geniessen sollte man auf jeden Fall eine echte Polenta mit einem Glas Merlot in einem der traditionellen Grotti wie dem Grotto Morchino in Lugano-Pazzallo, dem Grotto Cavicc in Collina d'Oro oder dem Grotto dell'Ortiga in Manno, in dem sogar schon Hermann Hesse immer wieder einkehrte. Aber auch die Capanna Monte Bar bietet hervorragende Küche mit regionalen und saisonalen Produkten. Eine der besten Weinauswahlen in Kombination mit gutem Essen gibt’s im beliebten Bottegone del Vino im Herzen der Altstadt von Lugano. Ebenfalls empfehlenswert ist der Markt von Lugano, der jeweils am Dienstag und Freitag von 7.30 bis 14.30 Uhr in Luganos Altstadt mit selbst gemachten, frischen Produkten zum Einkaufen einlädt.


Trinken

Die Rebsorte Merlot hat im Tessin seine Heimat gefunden: Inzwischen gibt es über zwanzig Merlots der Spitzenklasse in der Region, die am besten direkt auf einem der Weingüter wie dem Castello di Morcote verköstigt werden. Doch neben gutem Wein ist rund um Lugano die Leidenschaft für das Craft-Beer genauso gewachsen. Viele der kleinen Brauereien bieten sogar Führungen und Verkostungen an (z. B. Officina della Birra in Bioggio).


Touren & Bergführer

Zahlreiche gut aufbereitete Tourenideen und Informationen sind auf der Tourismusseite von Lugano zu finden. Alle Infos, Streckenverläufe sowie die Anmeldung zum «Senic Trail» gibt es unter scenictrail.ch. Wer mit Bergführer erste Klettererfahrungen an den Denti della Vecchia oder am Klettersteig San Salvatore machen will, ist bei der Bergführer-Vereinigung «Guide Alpine Ticino» richtig aufgehoben.


Karten/Literatur

  • Swisstopo Wanderkarte 3328 Lugano – Mendrisiotto, Massstab 1:33'333
  • Swisstopo Wanderkarte 1353 Lugano, Ponte Tresa – Agno – Monte Generoso, Massstab 1:25'000
  • Heinrich Bauregger: «Tessin, Zwischen Gotthard und Luganer See», Rother Bergverlag, 8. Auflage 2017
  • Peter Mertz: «Tessin Wanderführer», Kümmerli und Frey, 1. Auflage 2020

Hütten

Die Capanna Monte Bar SAC ist eine moderne und aussichtsreiche Berghütte der SAC Sektion Ticino, direkt unterhalb des gleichnamigen Berges. Durch die Nähe zu den Denti della Vecchia und der Cima di Fojorina ist die Capanna Pairolo für Kletterer, Wanderer und Mountainbiker ein idealer Stützpunkt. Alle Tessiner Hütten im Überblick: capanneti.ch/de/huetten

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